Fortbildung aus CHAZ 3-2019

Bernd Geissler, Philipp Schäfer, Matthias Anthuber

Upside-Down-Magen und Thorax-Magen: Diagnose, Operationsindikation und -technik

Aufgrund klinischer und therapeutischer Konsequenzen unterscheidet man axiale von paraösophagealen Hiatus­hernien. Erstere zählen zu den häufigsten Veränderungen des oberen Gastrointestinaltraktes und manifestieren sich durch einen unzureichenden Verschluss des unteren Ösophagussphinkters häufig mit einer Refluxkrankheit. Demgegenüber ist der Anteil paraösophagealer Hernien mit einem Anteil von fünf Prozent der Hiatushernien deutlich geringer. Die ausgeprägteste Form paraösophagealer Hernien sind der sogenannte Upside-down-Magen, bei dem sich die mobile Major-Seite des Magens um die Kardia als Fixpunkt dreht und der Thorax-Magen, bei dem Magen und Kardia nach mediastinal hernieren [1] (Abb. 1). Ein Thorax-Magen ist häufig mit einem sogenannten „short esophagus“ assoziiert, was operationstechnisch von Bedeutung ist. Pathogenetisch liegt den Hiatushernien eine Bindegewebsschwäche des ligamentären Bandapparates des gastroösophagealen Übergangs zugrunde, so dass sich der Hiatus im Laufe der Zeit erweitert. 80 Prozent der Patienten weisen einen Hiatus communis für Ösophagus und Aorta auf. Das physiologische abdomino-thorakale Druckgefälle begünstigt die Verlagerung des Magens in den Thorax und wird durch Faktoren wie Adipositas oder Obstipation verstärkt.
 

Die Beschwerden reichen von postprandialem Völlegefühl, Kurzatmigkeit und Anämie bis hin zu lebensbedrohlichen Inkarzerationen
Manche der überwiegend älteren Patienten sind klinisch vermeintlich asymptomatisch, weisen allerdings bei sorgfältiger Anamnese Symptome auf, die zum Teil dem physiologischen Alterungsprozess zugeschrieben werden – wie Kurzatmigkeit, Völlegefühl, Regurgitation und retrosternales Druckgefühl [2]. Die Beschwerden verstärken sich postprandial durch die intrathorakale Verdrängung von Lunge und Herz durch den gefüllten Magen (ähnlich dem Roemheld-Syndrom). Ein anfangs bestehender Reflux weicht mit zunehmender Erkrankungsdauer durch Abknicken des Mageneingangs einer Magenentleerungsstörung. Erstsymptome sind bei über 30 Prozent der Patienten eine Eisenmangelanämie oder Synkope. Ursache hierfür sind weniger okkulte chronische Stauungsblutungen, als vielmehr Resorptionsstörungen von Eisen und Vitamin B12. Eine akute Inkarzeration oder ein Volvulus des Magens sind zwar selten (Abb. 2, 3a), dann jedoch lebensbedrohlich. Neben dem kompletten Magen können auch Dünndarm, Dickdarm oder andere Organe hernieren, was als Entero­thorax bezeichnet wird.
 

Diagnostik: Eine Magendurchleuchtung ist für die Operationsplanung entscheidend
Häufig kann die Diagnose schon anhand der typischen Symptome gestellt werden. Manchmal ergibt sie sich zufällig im Rahmen einer Röntgen-Thorax-Aufnahme oder eines anderweitig veranlassten Computertomogramms. Pathognomonisch sind eine retrokardiale Luftsichel mit Flüssigkeitsspiegel in der Magenblase, im Extremfall mit Mediastinalverlagerung (W Abb. 2). Eine Magen-Durchleuchtung bestätigt die Diagnose und ist für den Chirurgen die wichtigste Untersuchung (W Abb. 3). Sie klärt nicht nur die Lagebeziehung von Ösophagus, Kardia und Magen zueinander, sondern macht auch Aussagen zu Magenein- und abstrom des Kontrastmittels. Obligat ist auch eine Gastroskopie, während pH-Metrie und Manometrie allenfalls bei kombinierten Hernien mit Refluxbeschwerden einen Stellenwert haben [1]. Bewährt hat sich die Messung des gastrointestinalen Lebensqualitätsindex nach Eypasch sowohl prä- als auch postoperativ mittels eines standardisierten Fragebogens [3]. Bei 36 Fragen können höchstens 144 Punkte erreicht werden, wobei die Normalbevölkerung einen Durchschnittswert von 125,8 erreicht [3]. Bei Patienten mit paraösophagealen Hernien ist die Lebensqualität nach unserer Erfahrung klinisch relevant auf Werte zwischen 80 und 100 erniedrigt [4].
Patienten mit Upside-down-Magen sind in der Regel in einem fortgeschrittenen Lebensalter. In unserem Patientengut beträgt das Durchschnittsalter 67 Jahre. Dennoch ist selbst bei Patienten im Alter von über 80 Jahren die Indikation zur Operation mit der Diagnosestellung gegeben, wenn die Patienten nicht multimorbide sind. Außer einer geringfügigen Verlängerung der Liegezeit von 5,1 auf 6,7 Tage konnten wir beim Outcome keinen Unterschied zwischen Patienten unter und über dem 80. Lebensjahr feststellen [4]. Auch beschwerdearmen Patienten sollte die Operation nahegelegt werden, da unbehandelt rund ein Drittel der Patienten mit Upside-down-Magen ein kompliziertes Stadium mit Anämie oder Passagestörung bis hin zur Inkarzeration entwickeln kann. Bei stark adipösen Patienten ist die Möglichkeit eines primär bariatrischen Eingriffes in Betracht zu ziehen, da die alleinige Hernienversorgung häufig zu Rezidiven führt und einen späteren bariatrischen Eingriff erschwert.

90 Prozent der Eingriffe können laparoskopisch vorgenommen werden
In Analogie zum Grundprinzip der allgemeinen Hernienchirurgie besteht das Operationsziel in einer Reposition des hernierten Magens und einer sicheren Einengung der Bruchlücke am Hiatus oesophageus. Abdominelle Zugangswege haben sich gegenüber thorakalen Operationsverfahren durchgesetzt, da sie eine bessere Reposition, Hiatoplastik und intraabdominelle Magenfixation ermöglichen. Unkomplizierte paraösophageale Hernien können elektiv laparoskopisch in sogenannter Beach-chair-Lagerung operiert werden. Der Operateur steht dabei zwischen den Beinen des Patienten, wodurch sich ein optimaler Arbeitswinkel in Bezug auf den Hiatus oesophageus ergibt. Fünf Trokare mit einem Durchmesser von fünf bis 12 Millimeter werden im Oberbauch platziert. Der Hiatus wird exponiert, indem der linke Leberlappen mit einem Retraktor zur Seite gehalten wird. 90 Prozent der Eingriffe können laparoskopisch vorgenommen werden [4]. Operationen die ggf. eine Resektion des gastroösophagealen Übergangs oder Magens erforderlich machen, erfolgen am besten in Rückenlage über eine quere Oberbauchlaparotomie.
Die Operation gliedert sich in folgende vier Phasen:

  • Reposition des Bruchinhaltes
  • Präparation und Resektion des Bruchsacks
  • Hiatoplastik
  • Fixierung des Magens

Die Reposition des Bruchinhalts gelingt selbst bei großen Hernien (W Abb. 4a) und ausgedehnter Hernierung bis hin zu einem Enterothorax meist unproblematisch, da Bruchsack und Bruchinhalt beim Ersteingriff nur selten miteinander verklebt sind. Der Bruchsack sollte komplett reponiert und falls möglich exzidiert werden, da ein Belassen des Bruchsackes mit einer höheren Rezidivrate assoziiert ist [2]. Die Durchtrennung kranialer Vasa gastricae breves ermöglicht einen einfachen Zugang zum linken Zwerchfellschenkel über die Bursa omentalis. Bei der Präparation und Gefäßversiegelung haben sich Dissektionsgeräte auf bipolarer Strombasis oder Ultraschall-Scheren bewährt.
Bei lange bestehender Hernierung kann sich der Muskelschlauch des Ösophagus retrahieren (sog. „short esophagus“) [5]. Die Häufigkeit wird sehr uneinheitlich mit null bis 60 Prozent angegeben [5]. Durch einen short esophagus wird die Gefahr für ein Hernienrezidiv nachweislich erhöht. Durch eine zirka sechs Zentimeter weite mediastinale Mobilisierung der Speiseröhre und komplettes Herauspräparieren des Bruchsack gelingt es jedoch in der Regel den gastroösophagealen Übergang dennoch nach abdominal zu positionieren (Abb. 4b) [5]. In seltenen Fällen kann eine Verlängerungsplastik der Speiseröhre nach Collis-Nissen erforderlich werden, die mit einem Stapler unter Kalibrieren mit einem 12 bis 14 Millimeter dicken Magenschlauch vorgenommen wird. Lipome im Hiatus sollten analog zur Leistenhernien-Chirurgie reponiert oder reseziert werden, da sie als Schrittmacher für ein Rezidiv fungieren können. Der hintere Nervus vagus ist zu schonen, da etwa zehn bis 20 Prozent der vagotomierten Patienten ein Postvagotomie-Syndrom mit Magenentleerungsstörungen oder Diarrhoen entwickeln [15].

Inkarzerierter Thorax-Magen mit Mediastinalverlagerung nach rechts. links: Röntgenthorax, rechts: CT-Thorax

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