Neue Generation von Opioiden mit weniger Nebenwirkungen

Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin Berlin und des Zuse-Instituts Berlin forschen derzeit an einer neuen Generation von Schmerzmedikamenten. So haben sie mittels Computersimulationen neue Opioide entworfen, die gezielt am Ort der Verletzung oder der Entzündung wirken. Nebenwirkungen im Gehirn oder im Darm, wie sie bei herkömmlichen Opioiden auftreten, sollen somit vermieden werden. Nachdem die ersten Ergebnisse bereits im letzten Jahr im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wurden [1], haben die Wissenschaftler im Juni und Juli 2018 aktuelle Studienergebnisse in den Fachjournalen „Pain“ und „Scientific Reports“ publiziert [2,3].

Opioide werden aufgrund ihrer stark schmerzstillenden Wirkung insbesondere bei Schmerzen durch Gewebsverletzungen und Entzündungen – wie beispielsweise nach Operationen, bei Krebserkrankungen oder bei Rheuma – eingesetzt. Oftmals treten starke Nebenwirkungen wie Benommenheit, Übelkeit oder Verstopfung auf, nicht selten machen sie abhängig. Im Einzelfall können sie sogar einen Atemstillstand auslösen.

Die Berliner Wissenschaftler um Prof. Dr. Christoph Stein, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Charité, und PD Dr. Marcus Weber vom Zuse-Institut forschen daher zunächst mittels Computersimulation an einem wirksamen Schmerzmittel mit weniger Nebenwirkung. Dabei machen sie sich die These zu Nutze, dass in verletztem oder entzündetem Gewebe eine höhere Konzentrationen an Protonen und somit ein niedrigerer pH-Wert vorliegt.

Modifizierte Opioide binden nur an Rezeptoren in entzündetem oder verletztem Gewebe

Die Wissenschaftler modifizierten den Wirkstoff Fentanyl, indem sie einige der Wasserstoffatome durch Fluoratome ersetzten. Ab einer gewissen Protonenkonzentration – beispielsweise der Konzentration, wie sie in entzündetem Körpergewebe vorliegt – ziehen die Fluoratome die Protonen aus der Umgebung an. Erst nach dieser Protonierung kann der Wirkstoff an die Rezeptoren für Opioide binden. Das Schmerzmittel wirkt somit ausschließlich an verletzten und entzündeten Körperregionen.

Nachdem die bisherigen Laborversuche an Ratten positiv verliefen – das modifizierte Opioid wirkte schmerzlindernd ohne die bekannten Nebenwirkungen – soll der neue Wirkstoff nun so weiterentwickelt werden, dass er beim Menschen eingesetzt werden kann. Er könnte somit zukünftig auch einer Opioid-Krise, wie sie derzeit in den USA zu beobachten ist, entgegenwirken, so die Autoren.

1. Spahn V et al (2017) A nontoxic pain killer designed by modeling of pathological receptor conformations. Science, doi: 10.1126/science.aai8636

2. Rodriguez-Gaztelumendi A et al (2018) Analgesic effects of a novel pH-dependent μ-opioid receptor agonist in models of neuropathic and abdominal pain. Pain, doi: 10.1097/j.pain.0000000000001328

3. Spahn V et al (2018) Opioid receptor signaling, analgesic and side effects induced by a computationally designed pH-dependent agonist. Sci Rep 8: 8965. doi: 10.1038/s41598-018-27313-4