Urteil: Bedrohliche Befunde müssen immer an Patienten weitergegeben werden – unabhängig von Praxisbesuch

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat Ende Juni 2018 klargestellt, dass bedrohliche Befunde unter allen Umständen an die Patienten weitergegeben werden müssen – auch wenn die Patienten schon länger nicht mehr in der Praxis waren (Az.: VI ZR 285/17).

Ein Patient suchte im Juli 2008 wegen Schmerzen im linken Bein und im linken Fuß seine Hausärztin auf. Diese überwies ihn an einen Facharzt, der den Patienten weiterbehandelte. Kurze Zeit später, im Oktober 2008, suchte der Patient wegen Schmerzen in der linken Kniekehle und im Kniegelenk die Notfallambulanz eines Krankenhauses auf. Dort wurde mittels Magnetresonanztomographie eine Geschwulst entdeckt. Der Befund wurde in einem ersten Arztbrief an den behandelnden Facharzt, nicht jedoch an die Hausärztin des Patienten übermittelt und die Geschwulst wurde stationär entfernt. Bei der histologischen Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich bei der Geschwulst nicht um ein – wie zunächst vermutet – Neurinom, sondern um einen malignen Nervenscheidentumor handelte. Die Klinik schickte den Befund dieses Mal lediglich an die Hausärztin, nicht jedoch an den Facharzt. In diesem zweiten Arztbrief wurde die Vorstellung in einem onkologischen Spezialzentrum empfohlen.

Die Hausärztin gab den Befund erst an den Patienten weiter, als dieser etwa eineinhalb Jahre später wegen einer Handverletzung in ihre Praxis kam. Erst danach wurde der Patient in einem onkologischen Spezialzentrum weiterbehandelt. Es stellte sich heraus, dass der Patient im Bereich der linken Kniekehle ein Rezidiv des Nervenscheidentumors hatte, es folgten weitere stationäre Aufenthalte und Operationen. Der Patient verklagte daraufhin die Hausärztin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, da sie es seiner Meinung nach fehlerhaft unterlassen hatte, ihm die Informationen des Arztbriefes zu übermitteln.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Klage zunächst ab. Da die Ärztin zum Zeitpunkt des zweiten Arztbriefes nicht mehr akut in die Behandlung des Patienten eingebunden war, sei es nachvollziehbar, den Patienten nicht unmittelbar über den Inhalt zu informieren. Der Fall gelangte anschließend vor den Bundesgerichtshof, der anders urteilte. Es sei dem Arztbrief unschwer zu entnehmen, dass die Klinik die Hausärztin irrtümlich für die behandelnde Ärztin hielt. In ihrer koordinierenden Funktion als Hausärztin hätte sie diese Informationen zwingend zeitnah weitergeben müssen. Der BGH verwies den Fall daher zurück an das Oberlandesgericht, das nun neu verhandeln und entscheiden muss.