Urteil: Keine generelle Kostenübernahme von Sachleistungen aufgrund versäumter Kassenfrist

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) in Kassel Ende Mai 2020 haben gesetzlich versicherte Patienten nicht automatisch Anspruch auf Sachleistungen, wenn die Krankenkasse die gesetzliche Frist für ihre Entscheidung überschreitet (Az: B 1 KR 9/18 R).

Es ist gesetzlich geregelt, dass Krankenkassen innerhalb von drei Wochen – bei Hinzuziehen des Medizinischen Dienstes innerhalb von fünf Wochen – darüber entscheiden müssen, ob eine Leistung übernommen wird. Wird diese Frist versäumt, so tritt die sogenannte Genehmigungsfiktion in Kraft und die Leistung gilt als genehmigt.

Im vorliegenden Fall klagte ein Patient mit einer Gangstörung gegen seine Krankenkasse. Der Patient strebte die Versorgung mit einem Arzneimittel an, das für die Behandlung von Multipler Sklerose, nicht aber seiner Gangstörung zugelassen ist. Sein Antrag auf Kostenübernahme über ein „Kassenrezept“ wurde erst nach Ablauf der Frist abgelehnt. Das Landessozialgericht verurteilte die Kasse zur Kostenübernahme der Arzneimittelversorgung, da aufgrund der versäumten Frist eine Genehmigungsfiktion vorliege. Der Fall gelangte vor das Bundessozialgericht (BSG), das das Urteil aufhob und an das Landessozialgericht zurückwies.

So war das BSG der Ansicht, dass sich allein aus der Genehmigungsfiktion kein grundsätzlicher Sachleistungsanspruch für generelle Erstattungen ergebe. Eine Genehmigungsfiktion vermittle den Versicherten lediglich eine vorläufige Rechtsposition. Bei einer vorab eigenständigen Beschaffung und Finanzierung des Arzneimittels durch den Versicherten müsse die Kasse die angefallenen Kosten ersetzen, sofern sie die Frist zur Ablehnung versäumt hatte, auch für den Fall, dass kein Rechtsanspruch auf die Leistung bestehe. Eine Genehmigungsfiktion erlaube somit lediglich die Kostenübernahme einer bestimmten Leistung, beispielsweise die Übernahme eines einzelnen Rezeptes. Sie sei nicht dafür vorgesehen, das Verfahren über einen Leistungsantrag generell zu entscheiden – also darüber zu entscheiden, ob ein Patient zukünftig regelmäßig die Kosten für ein Arzneimittel erstattet bekommt. Diese generelle Entscheidung der Krankenkasse könne nur unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen erfolgen. Sie könne nicht dadurch zustande kommen, weil eine Frist nicht eingehalten wurde.

Der Patient könne jedoch seine Ansprüche nach den Grundsätzen zum „Off Label Use“ geltend machen, die durch das BSG entwickelt wurden.