Aktuelles Urteil zu „Dooring“-Unfällen: In der Regel haftet der Autofahrer zu 100 Prozent

Immer wieder verletzen sich Radfahrerinnen/Radfahrer bei sogenannten „Dooring“-Unfällen, wenn Autofahrerinnen/-fahrer unachtsam die Tür ihres Fahrzeugs öffnen. Häufig geht es im Nachgang vor Gericht dann um Schuld- und Haftungsfragen. Bislang hatten Gerichte den Zweiradfahrern zumeist eine Mitschuld zugewiesen; ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln sieht das nun anders (AZ.: 5 O 372/20).

Rennradfahrender Unfallchirurg zieht sich schwere Verletzungen zu

Im aktuellen Fall hatte ein Rennradfahrer auf Schadenersatz geklagt, der bei einer Tour im Bergischen Land an einem Auto vorbeifahren wollte. Der Autofahrer hatte die Fahrertür geöffnet, der Radfahrer konnte nicht mehr ausweichen, kollidierte mit der Tür und stürzte. Die Folge: Rippenbruch, Schulterverletzung und multiple Prellungen an Schädel, Ellbogen und den Knien. Der Rennradfahrer – von Beruf Unfallchirurg – gab im Gerichtsverfahren an, keine langwierigen und kraftaufwendigen Operationen mehr durchführen zu können. „Für ihn sei besonders schmerzlich, dass er als Triathlet sein Schwimmtraining nicht mehr durchführen könne“, heißt es in einer Mitteilung des Landgerichts. Auch sein hochwertiges Rennrad nahm Schaden.

Kölner Landgericht erkennt grobe Unachtsamkeit des Autofahrers

Der Autofahrer und dessen Versicherung lehnten eine Regulierung des entstandenen Schadens über eine bereits anerkannte Haftung von 75 Prozent hinaus ab; mit der Klage wollte der Rennradfahrer auch die restlichen 25 Prozent erstreiten. Mit Erfolg: Der Unfallchirurg erhält laut Urteil zu den bereits geleisteten 4000 Euro weitere 3500 Euro Schmerzensgeld und zudem noch 1089 Euro für das kaputte Rennrad. Die Versicherung des Autofahrers hatte argumentiert, dass den Radfahrer ein Mitverschulden von 25 Prozent treffe, weil er zu nah am geparkten Auto vorbeigefahren sei. Er hätte wahrnehmen können, dass der Autofahrer seine Tür habe öffnen wollen. Das Gericht sah das jedoch anders und konnte nicht feststellen, „dass dem Kläger der Vorwurf eines nicht ausreichenden Seitenabstandes gemacht werden könne“. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrertür noch möglich ist. „34 Zentimeter reichen hierfür nicht aus, 50 Zentimeter könnten schon genügen“, so das Landgericht. Keinesfalls hätte der Rennradfahrer aber einen so großen Abstand einhalten müssen, dass er selbst bei einer vollständigen Öffnung nicht mit der Fahrertür kollidiert wäre.

Dass der Unfallchirurg mit seinem Rennrad mehr als 30 Stundenkilometer schnell gewesen sei, könne ihm jedenfalls nicht zur Last gelegt werden, die Geschwindigkeit sei im Rahmen des Erlaubten in diesem Bereich gewesen. „Mit einer so groben Unachtsamkeit des Autofahrers habe der Kläger einfach nicht rechnen müssen“, heißt es seitens des Landgerichts. Der Autofahrer müsse sich beim Öffnen der Fahrertür so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Daher sei der Radfahrer zu 100 Prozent zu entschädigen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.