AMD: Grundlegender Mechanismus zur Entstehung der geographischen Atrophie identifiziert

Geografische Atrophie bei trockener Spätform der AMD.

Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts haben gemeinsam mit zahlreichen weiteren Wissenschaftlern eines internationalen Forschungsverbundes einen grundlegenden molekularen Mechanismus aufgeklärt, der bei einer fortgeschrittenen trockenen AMD zu einer geographischen Atrophie führen kann, bei der die für die Sehfähigkeit essentiellen Zellen des retinalen Pigmentepithels absterben [1]. So konnte das Forscherteam zeigen, dass sich bei der trockenen AMD im Zytoplasma der Zellen des retinalen Plattenepithels die DNA sogenannter transponierbarer – also mobiler – Alu-Sequenzen anreichert. Diese Anreicherung wird durch Enzyme anderer freier DNA-Sequenzen im Zytoplasma verursacht, den sogenannten LINES („long interspersed nuclear elements“). Diese häufig vorkommenden Sequenzen codieren Enzyme (unter anderem eine reverse Transkriptase), die die ebenfalls frei im Zytoplasma befindlichen Alu-RNA-Elemente in die schädliche Alu-DNA umschreiben können. Letztere können die Zellen schädigen und somit zum Zelltod führen – es gibt derzeit keinerlei Hinweise, dass die DNA in den Zellkern gelangt und das Genom verändert.

Aufgrund dieser Erkenntnis untersuchten die Wissenschaftler den Einfluss bekannter Medikamente, die gezielt das Enzym hemmen, das RNA in DNA umschreibt (Nukleosidische-Reverse-Transkriptase-Hemmer, NRTI). Diese werden üblicherweise zur Therapie bei HIV-Infektionen eingesetzt. Hierfür werteten die Wissenschaftler mehrere Datenbanken verschiedener US-Krankenversicherer mit insgesamt über 100 Millionen Patienten aus. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten, die NRTI-Medikamente erhielten, zu 40% weniger an einer trockenen AMD erkrankten als Patienten, die diese Medikamente nicht erhielten. Eine erste klinische Prüfung eines verträglicheren Derivats dieser Medikamente ist nach Angabe der Wissenschaftler bereits initiiert.

Fukuda S (2021) Zytoplasmatische Synthese endogener Alu-komplementärer DNA durch reverse Transkription und Auswirkungen auf die altersbedingte Makuladegeneration. Verfahren der Nationalen Akademie der Wissenschaften, 118 (6).