BGH-Urteil: Lebend-Organspender müssen umfassend aufgeklärt werden

Ohne umfassende Aufklärung ist eine Organ-Lebendspende rechtswidrig. Ärzte und Gerichte dürfen nicht davon ausgehen, dass potentielle Spender für nahe Angehörige ohnehin unter allen Umständen in eine Organspende einwilligen würden, das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden (Az.: VI ZR 318/17 und VI ZR 495/16). Für eine „hypothetische Einwilligung“ gebe es in solchen Fällen „keinen Raum“ – denn die gesetzlichen Vorgaben des Transplantationsgesetzes (TPG) dienten explizit „dem Schutz potenzieller Lebendspender vor sich selbst“. Diese Funktion werde aber unterlaufen, wenn Ärzte wegen der gesetzlich geforderten „persönlichen Nähe“ grundsätzlich von einer „hypothetischen Einwilligung“ ausgehen könnten. Denn Organ-Lebendspenden sind ausschließlich „für besonders nahestehende Personen“ erlaubt, daher enthält das TPG besonders strenge Aufklärungsvorgaben für Lebendspenden. Zudem muss die Freiwilligkeit der Spende vorab durch eine Kommission überprüft werden.

In beiden verhandelten Fällen leiden die Betroffenen seit ihrer Spende für einen nahestehenden Angehörigen unter dauerhaften körperlichen Einschränkungen durch das chronische Erschöpfungssyndrom sowie unter Niereninsuffizienz. Beide Kläger hatten den Ärzten des Klinikums Essen formale und inhaltliche Fehler bei der Aufklärung vorgeworfen. Diese wurden zwar von der Vorinstanz – dem OLG Hamm – bestätigt, die Klagen dennoch auf Basis einer „hypothetischen Einwilligung“ abgewiesen. Der BGH hob nun beide Urteile auf und sprach den Spendern ein Schmerzensgeld zu, über dessen Höhe nun das OLG entscheiden soll. In beiden Fällen sei beim Aufklärungsgespräch kein „neutraler Arzt“ anwesend gewesen, auch hätten die Spender kein Aufklärungsprotokoll unterzeichnet. Darüber hinaus hätten die Nierenfunktionswerte der beiden Spender schon vor der Spende „im unteren Grenzbereich“ gelegen; über die voraussichtlichen gesundheitlichen Folgen seien sie indes nicht aufgeklärt worden. In beiden Fällen sei daher „die erteilte Einwilligung in die Organentnahme unwirksam und der Eingriff jeweils rechtswidrig“, urteilte der BGH.