BSG-Urteil: Liposuktion beim Lipödem als „individueller Heilversuch“

„Krankenhäusern ist es nun deutlich einfacher möglich, das Lipödem mit einer Fettabsaugung zu behandeln“, fasst Prof. Dr. Lukas Prantl, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) erleichtert das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zusammen. „Für die rund 3,8 Millionen in Deutschland betroffenen Frauen wird es mit gesicherter Diagnose so leichter, Fettabsaugungen und damit die einzige ursächliche Behandlung dieser „Volkskrankheit“ von ihren Krankenkassen finanziert zu bekommen“, hofft der plastische Chirurg. Genaueres wisse man erst, wenn die Urteilsbegründung vorliege.

Bundessozialgericht ermöglicht Forschung

Nachdem das Bundessozialgericht noch 2018 entschieden hatte, dass die Krankenkassen eine Liposuktion beim Lipödem in der Regel nicht tragen müssen, auch wenn diese „das Potenzial einer Behandlungsalternative habe“, rückte es am 25. März 2021 unter dem Vorsitz seines neuen Präsidenten Peter Schlegel von dieser Auffassung ab. Er verwies auf eine 2015 in das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingefügte Ergänzung. Diese ermöglicht Krankenhäusern im Einzelfall auch „individuelle Heilversuche“ außerhalb einer vom Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) verabschiedeten Erprobungsrichtlinie, sofern die Methode „das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet“. Die BSG-Richter nannten drei Voraussetzungen:

  • Es muss „eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung“ vorliegen.
  • Es darf „keine andere Standardbehandlung verfügbar“ sein.
  • Es muss nach den einschlägigen Vorgaben des G-BA „die Annahme des Potenzials einer erforderlichen Behandlungsalternative“ gerechtfertigt sein.

Fachgesellschaften schaffen Evidenz und Transparenz

„Ich gehe davon aus, dass alle drei Faktoren für die Liposuktion beim Lipödem greifen“, betont Dr. Mojtaba Ghods, Leiter der AG Lipödem der DGPRÄC. „Das ermöglicht es uns, auch weiterhin Erfahrungen in Diagnostik und Therapie des Lipödems zu gewinnen, auszuwerten und zu publizieren“, freut sich Ghods, der bereits seit knapp zwanzig Jahren zu dem Krankheitsbild arbeitet und forscht. „An der Wirksamkeit der Methode habe ich keinerlei Zweifel, trotzdem ist es notwendig, hier noch mehr Evidenz zu schaffen und vor allen Dingen für die Diagnose feststehende Parameter zu entwickeln, auf deren Basis dann angemessene Therapieentscheidungen getroffen werden können“, so Ghods und weist abschließend auf Informationen zum Thema Lipödem auf der Webseite der DGPRÄC sowie die dort hinterlegte Arztsuche hin, in der nun auch eine Suche nach dem Behandlungsschwerpunkt Lipödem möglich ist.
www.dgpraec.de