Das 4. Homburger Keratokonus Center Symposium HKCS 2021 – eine kurze Nachlese der Hybridveranstaltung

Am 4. September 2021 lud das Homburger Keratokonus Center (HKC) zu seinem vierten Symposium in das neue Hörsaalgebäude am Universitätsklinikum des Saarlandes. Aufgrund der Covid19-bedingten Abstandsregeln und einer Vielzahl von Anmeldungen zur Veranstaltung wurde diese auch online übertragen. Während die Vorträge im Hörsaal von 60 Zuhörerinnen und Zuhörern verfolgt wurden, wurde das Online-Angebot von etwa knapp 400 Zuhörern von zu Hause aus in ganz Deutschland genutzt.

Gegründet im Jahr 2010 feierte das HKC bei dieser Gelegenheit auch sein zehnjähriges Bestehen nach – seit Gründung werden an der Universitätsaugenklinik mittlerweile mehr als 2100 Patientinnen und Patienten mit Keratokonus standardisiert untersucht, begleitet und therapiert. Durch das Programm – bestehend aus 16 Vorträgen sowie 3 internationalen Hauptvorträgen – führten der Direktor der Universitätsaugenklinik, Prof. Dr. med. B. Seitz, sowie der ärztliche Leiter des HKC, Dr. med. Elias Flockerzi.

Im ersten Vortrag gab PD Dr. med. Timo Eppig einen Überblick über die Entwicklung der apparativen Keratokonusdiagnostik und verschiedene gerätebasierte Keratokonusindizes. Anschließend stellte Dr. med. Lorenz Latta aus dem biologischen Labor der Augenklinik Studienergebnisse vor, die auf eine inflammatorische Komponente des Keratokonus hindeuten und erläuterte eigene Ergebnisse zur Auswertung veränderter Stoffwechselwege beim Keratokonus. Dr. med. S. Razafimino konnte im dritten Vortrag aus den Auswertungen im Rahmen ihrer Promotionsarbeit jedoch keinen direkten klinischen Zusammenhang zwischen Keratokonus und der Hypothyreose nachweisen. Im vierten Vortrag stellte E. Flockerzi die 2016 eingeführte ABCD-Klassifikation des Keratokonus nach Belin und Duncan vor, welche erstmals für jede Hornhaut eine eindeutige Stadieneinteilung mit theoretisch 625 Einzelstadien ermöglicht. Im Anschluss legte E. Flockerzi im anschließenden Vortrag den Fokus auf den zentralen Keratokonus, welcher – bei gleichem ABCD-Stadium im Vergleich zum typischen temporal-inferior betonten Keratokonus – der weiter fortgeschrittene Keratokonus zu sein scheint. Herr Dr. med. Oliver Hoppe aus Köln berichtete anschließend über das Korrektionswunder Kontaktlinse, welches nach wie vor erstes Mittel der Wahl zur Visusrehabilitation bei Keratokonusaugen auch mit fortgeschrittenem Stadium darstellt. Frau K. Richter, Doktorandin aus Homburg, vertiefte im Anschluss dieses Thema mit ihrem Bericht über den Verlauf der Kontaktlinsenanpassung bei 200 Patienten im HKC.

Die folgenden Vorträge gaben einen Einblick über operative Verfahren zur Stabilisierung und Visusrehabilitation bei Keratokonus: Kassandra Xanthopoulou berichtete über ihre longitudinale Auswertung von Crosslinking-Daten, die belegt, dass es innerhalb der ersten 6 Wochen nach Crosslinking zu einer „Pseudoprogression“ des Keratokonus kommt und dass langfristig durchaus mit einer Visusverbesserung nach Crosslinking gerechnet werden kann. Eine schnellere Visusverbesserung mit und ohne Brillenkorrektur lässt sich durch die Implantation intrakornealer Ringsegmente erzielen, wie Dr. med. Loay Daas im anschließenden Vortrag berichtete. Frau F. Schayan-Araghi, Doktorandin, zeigte anhand des Vergleichs der prä- und postoperativen ABCD-Klassifikation bei Implantation intrakornealer Ringsegmente auf, dass dieser Eingriff auch die Klassifikationsergebnisse beeinflusst und zu einer milderen Schweregradeinteilung nach der Implantation führt.

Im folgenden Vortrag berichtete E. Flockerzi über die stadienabhängigen Veränderungen der kornealen Biomechanik beim Keratokonus, welche über die Einführung des „Corvis Biomechanical Factor“ (CBiF) zu einer biomechanischen Klassifikation des Keratokonus führt. Diese könnte zukünftig als „E“ zur ABCD-Klassifikation des Keratokonus hinzugefügt werden.

Loïc Hamon, Assistenzarzt, hatte tomografisch einseitige Keratokonusaugen untersucht und stellte in seinem Vortrag anhand biomechanischer Auswertungen fest, dass auch für diese Augen der Grundsatz gilt, dass der einseitige Keratokonus an sich nicht existiert.

Im Anschluss wurde im Rahmen des ersten internationalen Hauptvortrags Prof. Dr. med. Renato Ambrósio Jr. aus Brasilien zugeschaltet. Er referierte über die „enhanced ectasia diagnosis“, welche mittlerweile in der Scheimpflugbildgebung integriert und aus dem täglichen klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Im zweiten internationalen Hauptvortrag referierte Prof. Dr. med. Michael Belin um 4.00 Uhr morgens Ortszeit aus Arizona über das von ihm entworfene Belin ABCD Progressionsdisplay sowie seine Kriterien zur Indikationsstellung eines Crosslinking.

Da die Indikationsstellung für operative Verfahren auf gerätebasierten Messungen fußt, wurde die Reproduzierbarkeit von Scheimpflugbildgebung und optischer Kohärenztomografie des Vorderabschnitts im folgenden Vortrag von E. Flockerzi dargestellt mit dem Schluss, dass beide Verfahren für sich, aber nicht untereinander austauschbar zur Progressionsbeurteilung geeignet sind. Frau L. Häfner, Doktorandin, hatte ähnliche Untersuchungen mit dem Corvis ST® der Firma Oculus aus Wetzlar durchgeführt und in ihrem Vortrag über die Reproduzierbarkeit biomechanischer Messungen mit diesem Gerät: Während die Reproduzierbarkeit der tomographischen Messung mittels Scheimpflugbildgebung oder optischer Kohärenztomografie des Vorderabschnitts mit zunehmendem Schweregrad des Keratokonus abnimmt, ist demnach die biomechanische Messung stadienunabhängig hochreliabel.

Im dritten internationalen Hauptvortrag fasste R. Ambrósio Jr. den aktuellen Stand zur Behandlung des Keratokonus unter dem Titel „Treating Keratoconus in 2021“ zusammen.

B. Seitz stellte die Möglichkeit der tiefstromalen Kompressionsnähte mit Gaseingabe in die Vorderkammer als effektive Behandlungsoption für den akuten Keratokonus vor. Dieses proaktive Vorgehen führt im Vergleich zum früher üblichen Abwarten zu einer deutlich schnelleren Resorption des Hornhautödems, sodass die aufgrund der folgenden Vernarbung meist notwendige perforierende Keratoplastik im Anschluss früher durchgeführt und somit eine schnellere Visusrehabilitation erreicht werden kann.  

Im letzten Vortrag gab Dr. Shady Suffo einen Überblick über die Anwendung des von ihm entwickelten Kreuzstichnahtmarkers, der gerade für den Anfänger eine wertvolle Hilfe zum Erlernen der im Rahmen der Keratoplastik notwendigen Kreuzstichnaht darstellt – sei es perforierend oder anterior lamellär.

Alle Vorträge sind als Videoaufzeichnung verfügbar und können hier einzeln abgerufen werden.
Im nächsten Jahr veranstalten wir am Samstag, den 18.06.2022 unseren 4. Internationalen Hornhauttag HHT 2021.