Deutscher Herzbericht 2020: Herzchirurgische Patientinnen und Patienten sind bundesweit hervorragend versorgt

Der Deutsche Herzbericht 2020 bestätigt das exzellente Qualitätsniveau der Herzchirurgie. Gleichzeitig ist ein kritischer Blick in die Zukunft wichtig, denn nach wie vor sind Herzerkrankungen, noch vor Krebserkrankungen, mit Abstand die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Ein Faktor für die Erkrankungshäufigkeit ist das steigende Alter der Betroffenen und die damit einhergehenden altersbedingten Herzerkrankungen. „Insbesondere muss die Interdisziplinarität noch weiter in den Vordergrund rücken“, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Böning, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG).
Im Jahr 2019 wurden in den insgesamt 78 deutschen Fachabteilungen für Herzchirurgie 96 404 Herzoperationen durchgeführt, davon 10 861 als Notfälle. Inkludiert man alle erfassten Eingriffskategorien der DGTHG-Leistungsstatistik und addiert Herzschrittmacher- und Defibrillator-Eingriffe sowie die Operationen der herznahen Hauptschlagader ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dazu, summiert sich die Gesamtzahl auf 175 705 im Jahr 2019.


Steigendes Patientenalter und steigende Überlebenschance

„Zwei wichtige und erfreuliche Botschaften aus der Herzchirurgie: Unsere Patientinnen und Patienten erreichen ein hohes Lebensalter und können überaus erfolgreich operiert werden. Die Überlebenschance liegt bei über 97 Prozent, auch bei den 80+ Jährigen“, so Böning, Im Jahr 2019 waren knapp 45 Prozent der Patientinnen und Patienten, die eine isolierte Bypass-Operation erhielten über 70 Jahre alt, fast zehn Prozent sogar über 80 Jahre. Jüngere Patienten (< 70 Jahre) haben häufig bereits eine fortgeschrittene koronare Herzerkrankung, für die andere Behandlungsoptionen nicht die erste Wahl sein sollten. In den letzten 20 Jahren hat die Häufigkeit der Herzinsuffizienz kontinuierlich zugenommen und 2019 einen neuen Höchststand mit 510 pro 100 000 Einwohner erreicht. Trotz zunehmender Morbidität, die insbesondere im Kontext des demographischen Wandels zu betrachten ist, sinkt seit 2011 die Mortalitätsrate. Die Versorgung mit permanenten (implantierten) Herzunterstützungssystemen bei schwerer chronischer Herzinsuffizienz bleibt seit Jahren stabil auf hohem Niveau bei insgesamt 953, wobei bei 97 Prozent der Patienten Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme zum Einsatz kommen (924 L/R VAD; BVAD 15 und Kunstherzen, TAH, 15). Nach wie vor gibt es für das menschliche Herz keinen künstlichen Ersatz, der mit den Erfolgen der Herz-Transplantation mithalten könnte, rund 700 Menschen warten derzeit auf ein Spenderherz. 2019 wurden insgesamt 344 Herzen transplantiert, 26 mehr als im Jahr zuvor.

Qualitätssicherung und wissenschaftlicher Konsens: DGTHG plädiert für die Einführung von „Herz-Boards“

Das Vorhofflimmern ist mit 1,6 Millionen betroffenen Menschen die häufigste Herzrhythmusstörung in Deutschland. Bei etwa fünf Prozent aller herzchirurgischen Eingriffe wurden bestimmte Formen des Vorhofflimmerns mittels Radiofrequenzablation oder Kryoenergie mittherapiert. Eine begleitende Herzinsuffizienz bestand bei 47,5 Prozent aller Betroffenen. Zu den weiteren Therapien gehören Herzschrittmacher, implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren (ICD) und kardiale Resynchronisationssysteme (VRT). Insgesamt wurden 2019 75 760 Herzschrittmacher und 22 455 ICD neu implantiert. Die Implantation von kardialen Resynchronisationsgeräten (CRT) erfolgt als effektive Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und auffälligem EKG, insbesondere bei Linksschenkelblock und signifikant verzögerter Herzkammer-Erregung (QRS>150ms).
m Jahr 2019 wurden bundesweit außerdem 44 093 (2018: 44.270) isolierte und kombinierte koronare Bypass-Operationen durchgeführt, meist unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Die koronare Bypass-OP erfolgt häufig kombiniert mit Herzklappen- sowie weiteren Eingriffen, auch bei diesen Eingriffen ist die interdisziplinäre Abstimmung in etablierten Herz-Teams, unter Einhaltung der nationalen und europäischen Leitlinien, obligat. So wird bei der komplexen koronaren Drei-Gefäß-Erkrankung und der Hauptstammstenose eindeutig – IA-Empfehlung – die koronare Bypass-Operation empfohlen. Insbesondere für Patienten mit Diabetes mellitus zeigt sich, dass sie langfristig durch den herzchirurgischen Eingriff profitieren. Signifikante Vorteile haben auch Patienten mit eingeschränkter LV-Funktion und solche, bei denen vorangegangene Katheterinterventionen (PCI) nicht zu einem stabilen Erfolg geführt haben. Für alle herzmedizinischen invasiven Therapieverfahren, Operationen und Interventionen gelte gleichermaßen: Die Behandlung muss gemäß wissenschaftlicher Leitlinien erfolgen und im interdisziplinärem Herz- Team getroffen werden. Die DGTHG plädiert daher für die obligate Konsentierung in einem verbindlich strukturierten „Herz-Board“, wie es bereits in anderen medizinischen Disziplinen, etwa bei Tumorbehandlungen erfolgreich Anwendung findet.

Weitere Informationen unter www.dgthg.de