Franz Grehn hält die 3. Maternushaus-Ehrenvorlesung. Glaukom bei Kindern: Große Augen, große Herausforderungen

Prof. Dr. med. Franz Grehn während seiner Maternushaus-Ehrenvorlesung beim Jahreskongress der Universitätsaugenklinik Köln (Foto © MedizinFoto Köln)

Ein kleiner Patient mit Glaukom, kongenital oder in frühem Kindesalter erworben, macht dem Augenarzt die Endlichkeit seines Wirkens (und auch seiner Existenz) eindringlich bewusst: Angesichts der heutigen Lebenserwartung wird der Patient von mindestens drei Augenarztgenerationen bis zum fernen Tag des eigenen Ablebens im 22. Jahrhundert betreut werden. Diese die Zuhörer nachdenklich stimmende Perspektive zeichnete Prof. Dr. med. Franz Grehn (Mainz/Würzburg) auf, als er bei der alljährlichen Fortbildungstagung der Universitätsaugenklinik Köln die Maternushaus-Ehrenvorlesung zu einem Schwerpunkt seines langjährigen klinischen Wirkens, dem Glaukom in Kindesalter, hielt.

Mit einer Prävalenz von 0,008 % ist das Glaukom im Kindesalter um den Faktor 100 seltener als das primär-chronische Offenwinkelglaukom im Erwachsenenalter. Die Diagnose basiert neben der Erfassung charakteristischer Zeichen wie Descemetrissen und Hornhautödem vor allem auf der Messung des intraokularen Drucks (IOD) und der Bestimmung des Hornhautdurchmessers; beim Letzterem kann nach Grehns Erfahrung eine deutliche Aufsteilung der zentralen Hornhaut zu einem Messfehler, einer Unterschätzung der Vergrößerung der Kornea führen. Bei der Fundu­skopie kann im Erfolgsfall der Therapie die Besonderheit des Glaukoms im Kindesalter imponieren: Die Exkavation der Papille ist reversibel, wenn der IOD normalisiert wurde.

Die Therapie besteht immer in der Operation. Zu den Herausforderungen dabei gehören die schwere Zugänglichkeit (enge Lidspalte, relativ großes Auge in kleiner Orbita), die dünne Sklera, bei der Durchstiche zu einer Überfiltration führen können, und die Tatsache, dass der Schlemm‘sche Kanal wegen fehlender Pigmentierung des Trabekelmaschenwerks alles andere als leicht zu finden ist. Zwei bewährte Operationsverfahren sind die Trabekulotomie und die Goniotomie. In einer Würzburger Studie fand man fast identische Erfolgsraten, wobei Erfolg gemäß EGS-Kriterien als Senkung des Intraokulardrucks auf 21 mmHg und niedriger sowie um mindestens 20 % definiert war: Dies gelang mit der Trabekulotomie in 71,8 %, mit der Goniotomie in 70,6 %.

Die vielleicht unangenehmste Variante des kindlichen Glaukoms ist das Aphakieglaukom, die häufigste sehbedrohende Komplikation nach einer Kataraktoperation im Kindesalter: Fast jedes dritte Glaukom im Kindesalter ist ein Aphakieglaukom. Das ganz große Dilemma: Der Augenarzt muss das Risiko der Amblyopie gegen das Risiko dieses Sekundärglaukoms abwiegen. Eine frühe Operation der kongenitalen Katarakt nämlich – in einem Lebensalter unter neun Monaten – hat ein um fast das Dreifache erhöhtes Glaukomrisiko. Länger abzuwarten, senkt zwar dieses Risiko, setzt das Kind indes der Wahrscheinlichkeit einer Amblyopie aus. Die Implantation einer IOL schützt nicht vor der Entstehung eines Aphakie­glaukoms.

Bei kleinen Patienten mit komplizierter Vorgeschichte wie eben einem Aphakieglaukom, einer Peters‘schen Anomalie oder einem Stickler-Syndrom kann die Drainagechirurgie als Kombination des Baerveldt-Implantats mit einem auf der Vorderkammerseite angebrachten XEN-Implantat eine Option sein. In einer kleinen Gruppe von 10 solcher Patienten verbuchte F. Grehn bei 6 Patienten einen vollständigen Erfolg mit einer mittleren IOD-Reduktion von 31 mmHg auf 18,5 mmHg und einer Verringerung der applizierten Medikamente von durchschnittlich 3,5 bis 0,9.

Grehn schloss die Ehrenvorlesung mit einer persönlichen Hypothese: Es ist bekannt, dass die Entwicklung des Trabekelmaschenwerks nach der Geburt durch die Zugwirkung von dort inserierenden Ziliarkörperfasern stimuliert wird. Dieser Einfluss entfällt aber, wenn die Linse entfernt wird. Müsste da nicht – so Franz Grehn – die Gabe von Pilokarpin-Augentropfen 0,25 % dreimal täglich über ein halbes Jahr nützlich sein und gar die Ausbildung eines Aphakieglaukoms verhindern, denn dadurch werden ja auch der Ziliarmuskel und das Trabekelwerk kontrahiert?