Männer haben höheres Risiko für elf Krebsarten – nicht nur wegen der meist ungesünderen Lebensweise

Bei elf verschiedenen Krebsarten haben Männer ein signifikant höheres Erkrankungsrisiko als Frauen. So ist beispielsweise beim Ösophaguskarzinom, beim Kehlkopfkarzinom, beim Kardiakarzinom und beim Blasenkarzinom das Risiko für Männer dreimal höher. Das hat eine kürzlich in der Zeitschrift Cancer publizierte  Untersuchung ergeben [1]. Dieser Unterschied lasse sich nur teilweise durch den risikobehafteren Lebensstil und die Exposition gegenüber krebserregenden Substanzen bei Männern erklären, wie im Nachrichtenportal Medscape ausgeführt wird.

Ursächlich sind vermutlich intrinsische biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die die Anfälligkeit für Krebserkrankungen beeinflussen

„Es gibt Unterschiede in der Krebsinzidenz, die nicht allein durch Umwelteinflüsse erklärbar sind“, erklärt die Erstautorin Sarah Jackson von der Abteilung für Cancer Epidemiology and Genetics am National Cancer Institute in Bethesda, USA. „Dies spricht für die Existenz intrinsischer biologischer Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die die Anfälligkeit für Krebserkrankungen beeinflussen.“ Daher sei es wichtig, die geschlechtsspezifischen biologischen Mechanismen zu verstehen, die bei Männern an den gleichen anatomischen Stellen häufiger ein Krebswachstum erzeugen als bei Frauen. „Dieses Verständnis könnte bedeutsam sein für Ätiologie und Prävention dieser Karzinome“, ergänzen sie. Die Ergebnisse sprächen  jedoch nicht für Änderungen an den bestehenden Protokollen zur Krebsprävention. „Es sind weitere Studien erforderlich, bevor daraus Empfehlungen abgeleitet werden können“, sagte Jackson gegenüber Medscape. „Wir müssen zum Beispiel die weibliche Immunantwort genauer erforschen. Wenn wir Mechanismen aufdecken können, die Frauen einen Immunvorteil bringen, lassen sich daraus vielleicht Therapeutika zur Stärkung des Immunsystems entwickeln, um der Entstehung von Karzinomen vorzubeugen oder diese zu behandeln. Wir sollten auch unsere Forschungsergebnisse zu Krebsinzidenz, -vorsorge und -überleben nach Geschlecht aufschlüsseln, um sicherzustellen, dass wir keine wichtigen geschlechtsspezifischen Zusammenhänge übersehen“, ergänzte sie.

Die geschlechtsspezifischen Verzerrungen müssen noch bei anderen Ethnien untersucht werden

Die Forscher verwendeten Daten aus der prospektiven 1995 begonnenen NIH-AARP Diet and Health Study mit über 600 000 Teilnehmerinnen/Teilnehmern. Die aktuelle Untersuchung konzentrierte sich auf rund 300 000 Personen (58% Männer, 42% Frauen) aus der Studie mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren, die zwischen 1996 und 1997 detailliertere Informationen über ihre Ernährung und andere Lebensstilfaktoren abgegeben hatten. Ausgeschlossen wurden Personen, die inzwischen eine Krebsdiagnose erhalten hatten, einen schlechten Gesundheitszustand beschrieben, eine extrem hohe oder niedrige Kalorienzufuhr vermerkten oder widersprüchliche Angaben zum Geschlecht machten. Als Einschränkung gilt, dass wichtige Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden. Nach einer mehr als zehnjährigen Nachbeobachtungszeit  fand das Team 26 693 Krebsneuerkrankungen an 21 gemeinsamen anatomischen Lokalisationen. Betroffen waren 17 951 Männer und 8742 Frauen. Die fünf häufigsten Krebsformen waren nahezu identisch: Die Plätze 1 bis 3 wurden bei beiden Geschlechtern von Lungen-, Dickdarm- und Hautkrebs belegt und Platz 5 vom Nierenkarzinom. Auf dem vierten Platz stand bei den Männern das Blasenkarzinom und bei den Frauen das Pankreaskarzinom. Nach Adjustierung der Daten um demographische, Lebensstil- und Ernährungsfaktoren zeigten sich die größten Unterschiede in der Häufigkeit beim Adenokarzinom der Speiseröhre (Männer vs. Frauen: HR 10,80), beim Kehlkopfkarzinom (HR 3,53), beim Kardiakarzinom (HR 3,49) und beim Blasenkarzinom (HR 3,33). Im Gegensatz dazu hatten Männer lediglich ein geringeres Risiko für Schilddrüsenkarzinome (HR 0,55) und für Gallenblasenkarzinome (HR 0,33). Bei elf Krebsarten blieb das erhöhte relative Risiko für Männer auch nach Adjustierung um mögliche Einflussfaktoren erhalten. Für viele andere Krebsarten war die Assoziation danach jedoch nicht mehr signifikant, darunter Lungen-, Pankreas-, Dünndarm-, Dickdarm-, Mundhöhlen-, Ösophagus- und Plattenepithelkarzinome und andere Kopf- und Halskrebsarten. Bei sieben Krebsarten ließen sich die Diskrepanzen zwischen Männern und Frauen zumindest teilweise durch Unterschiede bei Risikofaktoren erklären – so bei Lungen-, Dickdarm-, Mastdarm-, Gallengangs-, Haut-, Blasen- und Ösophagus-Adenokarzinomen. Dabei reichte der Anteil der Varianz, der durch Unterschiede bei den Risikofaktoren bedingt war, von 11,2 Prozent beim Ösophagus-Adenokarzinom bis hin zu 49,4 Prozent beim Lungenkarzinom.

Da die Menschen aus den verwendeten Datensätzen zum großen Teil aus nicht lateinamerikanischen weißen Ethnien stammen, wolle man zukünftig auch in anderen ethnischen Gruppen prüfen, ob ähnliche geschlechtsspezifische Verzerrungen auftreten. Darüber hinaus würden die  Wissenschaftler gern den Einfluss von Sexualhormonen und der individuellen Genetik auf die Krebsinzidenz erforschen.

  1. Jackson SS, Marks MA, Katki HA, et al (2022) Cancer 128: 3531–3540