Myopieprogression: Sensorüberwachte Studie

Eine chinesisch-australische Autorengruppe hat in einer über zwei Jahre laufenden Studie, die an 940 Grundschulen in der Region Schanghai durchgeführt wurde, die Dosisabhängigkeit der präventiven Wirkung von im Freien verbrachter Zeit bei der Myopieentwicklung zu quantifizieren versucht. Probanden waren 6.295 Schülerinnen und Schüler im Alter von 6 bis 9 Jahren, von denen bei Studienbeginn 6,8% eine Myopie von einer halben Dioptrie oder mehr hatten. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt: jene mit normalen Schulpausen, eine Gruppe mit zusätzlichen 40 Minuten und eine weitere mit abermals 40 Minuten Outdoors-Zeit, welche über 5 Unterbrechungen des Unterrichts verteilt waren. Die Kinder trugen am Handgelenk einen Sensor, der die Lichtintensität und die insgesamt im Freien verbrachte Zeit dokumentierte.

Das durchschnittliche sphärische Äquivalent veränderte sich in der Kontrollgruppe über die zwei Jahre um -1,04 Dioptrien, in der Test I-Gruppe um -0,84 Dioptrien und in der Test II-Gruppe um -0,91 Dioptrien. Die Zunahme der durchschnittlichen (statistisch adjustierten) Achsenlänge betrug über zwei Jahre 0,65 mm (Kontrolle), 0,55 mm (Test I) und 0,57 mm (Test II). Für eine tägliche Sonnenlichtexposition von 5000 Lux/Minute über 120 bis 150 Minuten wurde eine signifikante Reduktion der „incidence risk ratio“ um 15% bis 24% dokumentiert.

Neben der Bestätigung, dass mit zunehmender Zeit unter freiem Himmel das Myopierisiko sinkt, gewannen die Autoren die Erkenntnis, dass eine genaue Überwachung von beabsichtigten Outdoors-Aktivitäten unerlässlich ist, um wirklich einen präventiven Effekt zu erzielen, und dass die Implementierung solcher Vorgaben im Schulalltag selbst eines autoritären Landes schwierig ist. Die chinesischen Kinder erfüllten nämlich die Vorgaben - wie die Auswertung der Lichtsensoren ergab - nicht in gewünschtem Maße: Während die Kontrollgruppe im Schnitt 106 Minuten pro Schultag draußen verbrachte, waren es in Gruppe Test I und Test II nur jeweils 127 Minuten - und damit deutlich weniger als geplant. Vor allem Kinder, die bereits bei Studienbeginn kurzsichtig waren, blieben unter den Anforderungen. Medikamente können bekanntlich nur dann wirken, wenn sie eingenommen werden. Genauso kann auch Sonnenlicht nur dann einen refraktiven Nutzen haben, wenn Kinder und Jugendliche sich wirklich unter freiem Himmel aufhalten.                                         rdg

He X et al (2022) Time outdoors in reducing myopia – a school-based cluster randomized trial with objective monitoring of outdoor time and light intensity. Ophthalmology 129: 1245-1254