Vorsorge-Darmspiegelung: 70 Prozent weniger Darmkrebstote

Um die Wirksamkeit der Vorsorge-Darmspiegelungen in Deutschland möglichst genau zu beurteilen, haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gemeinsam mit dem Krebsregister des Saarlands über 17 Jahre hinweg mehr als 9000 Studienteilnehmer beobachtet. Das Resultat, auf das die Wissenschaftler im Darmkrebsmonats März hinwiesen: Bei Personen, die eine Vorsorge-Darmspiegelung in Anspruch genommen hatten, traten nahezu 60 Prozent weniger Neuerkrankungen an Darmkrebs auf als bei Teilnehmern, die auf die Untersuchung verzichtet hatten. Das Risiko, daran zu versterben, lag in der Screening-Gruppe sogar um 70 Prozent niedriger. Dickdarmkrebs entwickelt sich in der Regel aus Vorstufen über viele Jahre hinweg, die bei der Darmspiegelung früh schon entdeckt und entfernt werden können. Deutschland hat diese Untersuchung schon frühzeitig in das gesetzliche Krebsfrüherkennungsangebot aufgenommen: Seit 2002 haben Menschen ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf zwei Koloskopien im Abstand von zehn Jahren (seit 2019 für Männer schon ab 50 Jahren).

Inzwischen ist seit der Einführung des Koloskopie-Screenings ausreichend Zeit vergangen, um präzise zu analysieren, wie effizient dieses Vorsorge-Angebot Krebsneuerkrankungen und Krebssterblichkeit zurückdrängt. Dazu werteten die DKFZ-Epidemiologen nun die Daten von über 9000 Teilnehmern aus, die zwischen 2000 und 2002 in die ESTHER-Studie rekrutiert worden waren [1, 2]. Die Studienteilnehmer wurden in regelmäßigen Abständen nach Befinden und Lebensstil befragt, ihre Behandlungs- und Krebsregisterdaten wurden erfasst. Nach einem Beobachtungszeitraum von rund 17 Jahren waren 268 Fälle von Darmkrebs aufgetreten, 98 Teilnehmer waren an Darmkrebs verstorben. Diejenigen ESTHER-Teilnehmer, die eine Vorsorge-Koloskopie wahrgenommen hatten, hatten ein um 60 Prozent niedrigeres Risiko einer Darmkrebsdiagnose als Teilnehmer, die das Vorsorge-Angebot nicht nutzten. Das Sterberisiko war in der Screening-Gruppe in den zehn Folgejahren nach Koloskopie sogar um 70 Prozent niedriger.

„Die Teilnehmer unserer Studie bilden einen Querschnitt der Bevölkerung ab. Sie nutzen das normale Vorsorgeangebot ihrer Region und werden nicht in speziellen Zentren untersucht. Daher können wir nun erstmals in einer Langzeitstudie aus Deutschland quantifizieren, welchen Beitrag die Vorsorge-Koloskopie im echten Leben zur Krebsprävention leistet", erklärt Senior-Autor Hermann Brenner. Bislang gab es weltweit nur sehr wenige Studien, die fast ausschließlich aus den USA stammen, wo die Koloskopie bereits früher in größerem Umfang eingesetzt wurde. Neben der Vorsorge-Koloskopie werden in Deutschland alternativ auch immunologische Tests auf Blut im Stuhl zur Früherkennung angeboten (im Alter von 50 bis 54 Jahren jährlich, danach alle zwei Jahre). Fällt ein solcher Test positiv aus, muss er anschließend auch durch eine Koloskopie abgeklärt werden. Brenners Fazit: „Unsere Ergebnisse beziffern, welchen enormen Beitrag die Vorsorge-Koloskopie zur Krebsprävention leisten kann. Aber die beste Früherkennungsuntersuchung nutzt wenig, wenn sie nicht ausreichend wahrgenommen wird. Noch immer sterben in Deutschland jedes Jahr fast 25 000 Menschen an Darmkrebs. Die meisten dieser Todesfälle wären durch die Darmkrebs-Vorsorge vermeidbar. Wir müssen noch Wege finden, mehr Menschen zu motivieren, die potentiell lebensrettenden Früherkennungsuntersuchungen für Darmkrebs zu nutzen."
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1. ESTHER ist eine im Saarland landesweit durchgeführte Studie: http://esther.dkfz.org/esther/

2. Guo F, Chen C, Holleczek B, et al (2021) Strong reduction of colorectal cancer incidence and mortality after screening colonoscopy: prospective cohort study from Germany. Am J Gastroenterol 116: 967–975. DOI: 10.14309/ajg.0000000000001146

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