Wahlleistungs-Vereinbarung: Fährt der Chefarzt in Urlaub, haftet er bei Komplikationen

Lässt sich der Chefarzt bei einer unvorhergesehenen Verhinderung von anderen Ärzten bei einer Operation vertreten, müssen Patienten, die eine Wahlleistungs-Vereinbarung unterzeichnet haben, zuvor einer Vertreter-Regelung zugestimmt haben. Ist dies nicht der Fall – oder handelt es sich um eine vorhersehbare Abwesenheit – haften der Chefarzt bzw. die Klinik für mögliche Komplikationen. In einem solchen Fall hat jüngst das Landgericht Dortmund ein Krankenhaus verurteilt, 20 000 Euro an eine Patientin zu zahlen (AZ: 4 O 239/14). Der 1947 geborenen Rentnerin musste wegen eines Abszesses die rechte Niere entfernt werden. Vor der OP hatte sie eine Wahlleistungs-Vereinbarung unterschrieben, wonach sie der Chefarzt der urologischen Klinik persönlich operieren sollte. Dieser befand sich allerdings am OP-Tag geplant für zehn Tage im Urlaub. Bei der Entfernung der Niere durch seinen Vertreter rissen Leber und Dickdarm ein. Die Risse an der Leber mussten übernäht werden, der beschädige Teil des Darmes wurde entfernt. Nach der OP kam es zu Wundheilungsstörungen, die  mehrere Nachoperationen erforderlich machten. Der urologische Sachverständige hatte zwar bestätigt: Die Verletzung von Leber und Darm sei eine schicksalshafte Komplikation wegen der bestehenden schwersten entzündlichen Verwachsungen an der rechten Niere.

Eine Vertreterregelung greift nur bei unvorhergesehener Abwesenheit des Chefarztes

Das Gericht folgte indes der Auffassung der Klägerin, dass die OP rechtswidrig war, weil sie ausschließlich in einen Eingriff durch den Chefarzt eingewilligt habe. Operiert worden ist sie jedoch von zwei anderen Ärzten. Ein Patient schließe eine solche Vereinbarung im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die besondere Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes. Dieser Arzt muss daher selbst operieren (BGH, Urteil vom 20.12.2007, AZ: III ZR 144/07). Zwar darf ein Chefarzt bei seiner Verhinderung die OP auf einen Stellvertreter übertragen. Voraussetzung ist jedoch, dass er vorher eine entsprechende Vereinbarung mit dem Patienten darüber getroffen hat. Eine derartige Vertreterregelung in einer Wahlleistungsvereinbarung wäre ohnehin nur wirksam, wenn sie sich auf die Fälle unvorhergesehener Verhinderung beschränkt. Dieser Fall lag aber gerade nicht vor: Unstreitig hatte sich der Chefarzt bereits bei Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung im Urlaub befunden. Das war eine vorhersehbare Verhinderung. Den Urlaub des Arztes habe man der Patientin aber nicht mitgeteilt. Obwohl die Operation nach Facharztstandard durchgeführt worden ist, war sie demnach rechtswidrig. Die Operateure und das Krankenhaus haften folglich für sämtliche Folgen der OP. Zu entschädigen waren die Verletzung von Leber und Darm sowie insgesamt fünf Folgeoperationen. Die Kammer hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 20 000 Euro für angemessen gehalten.