CME-Fortbildung aus CHAZ 4-2017

Matthias H.M. Schwarzbach1, Maren Jordan1, Dominik Beidatsch1, Bettina Overbeck2, Fabian Bormann1, Sanja Schmeck3, Florian Wenger1, Wolfgang Wild1

Isolierte hypertherme Extremitäten­perfusion mit rh TNF-alpha und Melphalan.
Extremitätenerhalt bei lokal fortgeschrittenen Weichgewebesarkomen


Bereits 1950 wurde eine isolierte Extremitätenperfusion zur Behandlung von bösartigen Tumoren etabliert [1]. In den ersten Jahrzehnten der klinischen Verwendung der isolierten hyperthermen Extremitätenperfusion (engl. isolated limb perfusion, ILP) mit alleiniger Chemotherapie wurden bei Weichgewebesarkomen der Ex­tremitäten allerdings keine zufriedenstellenden onkologischen Ergebnisse beobachtet [2]. Gleichzeitig wurden jedoch eine signifikante Toxizität und eine erhebliche Rate an gravierenden Komplikationen beschrieben [2]. Das Verfahren wurde schließlich mit dem zusätzlichem Einsatz des rekombinanten humanen Tumornekrosefaktor alpha (rh TNF-alpha, Berumon®, Boehringer-Ingelheim, Darmstadt) bei Weichgewebesarkomen in den 1990er Jahren revolutioniert [4]. In einer Multizenterstudie konnten Eggermont et al. an einem großen Patientenkollektiv zeigen, dass ein Gliedmaßenerhalt unter Einbeziehung der rh TNF-alpha und Melphalan (Alkeran®, Aspen Pharma) als neoadjuvante Therapiemodalität exzellente Ergebnisse erbringt [5].

Daraufhin wurde rh TNF-alpha in Europa für die Behandlung von Weichgewebesarkomen im Rahmen der ILP mit Melphalan zugelassen [3]. Erstmals wurden – trotz primärer Amputationsindikationen – klinische Ansprechraten von über 70 Prozent und eine hohe Rate an extremitätenerhaltenden Verläufen (>80 %) beschrieben [5]. Dabei zeigte ein Vergleich zu einem Kollektiv (matched pair) amputierter Patienten keine Verschlechterung der onkologischen Ergebnisse [5]. Daraufhin wurde die ILP in Deutschland und in Europa unter der Verwendung von rh TNF-alpha und Melphalan zur Behandlung der Extremitätensarkome klinisch implementiert, um Gliedmaßenamputationen zu vermeiden. Dabei steht diese Therapiemodalität besonders bei Patienten nach vorausgegangener Strahlentherapie im Vordergrund, nach Lokalrezidiven ebenso wie bei Patienten, die eigentlich aufgrund des fortgeschrittenen Tumorwachstums einer Extremitätenamputation zugeführt werden sollten. Aufgrund der besonderen technischen Ausstattung, die ein Sarkomzentrum zur Durchführung der Extremitätenperfusion benötigt, ist dieses spezielle Verfahren lediglich in wenigen Kliniken in Deutschland verfügbar. Darüber hinaus ist es notwendig, für die Anwendung von TNF-alpha ein entsprechendes Zertifizierungsverfahren zu durchlaufen, bei dem die Sicherstellung der aktuellen Standards beachtet wird. Daten randomisierter klinischer Studien liegen bislang nicht vor [6].

Die Hauptindikation zur ILP ergibt sich bei Weichgewebesarkomen im Fall einer primären Amputationsindikation
Die Indikation wird vor allem bei aggressiveren Weichgewebesarkomen mit höherem Malignitätsgrad (G2- oder G3-Sarkomen) gestellt. Weichgewebesarkome mit einem klinisch günstigen Grading (G1-Sarkome) werden in der Regel eher zurückhaltend mit einer ILP behandelt. In einer aktuellen Untersuchung zeigen Liposarkome keine prinzipiell andere prozentuale Tumorregression nach isolierter Extremitätenperfusion mit TNF-alpha/Melphalan als andere Weichteilsarkome, wie beispielsweise das undifferenzierte pleomorphe Sarkom, das Myxofibrosarkom, das Synovialsarkom, das Leiomyosarkom, das Klarzellsarkom, das spindelzelliges Sarkom [7, 8]. In der genannten Untersuchung zeigte sich, dass nichtresektable Liposarkome, mit Ausnahme der atypischen lipomatösen Tumoren (ALT), generell eine gute Indikation zur TNF-alpha/Melphalan ILP darstellen. Myxoide Liposarkome zeigten dabei ein tendenziell besseres Ansprechen. Inwieweit myxoide Liposarkome jedoch tatsächlich besser ansprechen als die übrigen Liposarkome kann in der genannten Arbeit aufgrund der geringen Fallzahl nicht abschließend bewertet werden [8]. Die Hauptindikation zur ILP ergibt sich bei Weichgewebe­sarkomen im Fall einer primären Amputationsindikation. Wenn hier nach einer neoadjuvanten Extremitätenperfusion die Möglichkeit einer gliedmaßenerhaltenden Resektion besteht, wird die ILP als eine besonders gute Therapieoption bewertet [5, 8–10]. Des Weiteren wird die Indikation auch dann gestellt, wenn nach vorausgegangener Strahlentherapie eine Wiederholung der Strahlentherapie toxizitätsbedingt nicht möglich ist. In dieser speziellen Behandlungssituation ist die Extremitätenperfusion in der Regel ein immer noch wirksames regionales Therapieverfahren, das auch bei ausgedehnten Lokalrezidiven ein gliedmaßenerhaltendes Vorgehen möglich machen kann [9].

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1 Chirurgische Klinik und Sarkomzentrum*,2 Klinik für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin, 3 Pathologisches Institut, Klinikum Frankfurt Höchst *Mitglied der German Interdisciplinary Sarcoma Group (GISG); Zertifiziert für die TNF-Extremitätenperfusion; Kooperationspartner im UCT (Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen) Frankfurt. Eines von acht deutschen Sarkomzentren die mit der Patientenorganisation „Das Lebenshaus e.V.“ kooperieren.