Aschaffenburg und Siegen: Einigung mit gekündigten Chefärzten nach über einem Jahr: Die Vernunft siegte offenbar

Nach einem juristischen Streit von über 20 Monaten hat das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau mit dem ehemaligen Chefarzt der Unfallchirurgie eine Einigung erzielt. Ein Sprecher des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (LAG) teilte mit, dass damit die geplante Beweisaufnahme am 17.11.2022 aufgehoben sei. Der Vergleich beende den aufreibenden Kündigungsstreit. Am 2. März 2021 hatte das Klinikum den Chefarzt entlassen und warf ihm vor, er hätte falsch dokumentiert und legte ihm falsch abgerechnete Leistungen zur Last. Der Chefarzt wehrte sich juristisch gegen die Kündigung. Vor dem Aschaffenburger Arbeitsgericht (AG) unterlag er Mitte 2021 in erster Instanz, allerdings aufgrund eines erstmals am 12.8.2021 öffentlich in der Beweisaufnahme aufgetretenen Vorwurfs, er habe 2018 einen Mitarbeiter angestiftet, nachträglich Operationsprotokolle zu fälschen. Die Richterin bestätigte die Kündigung, der Vorwurf der Anstiftung sei ausreichend gewesen. Nun legte der Mediziner beim LAG Berufung gegen das Urteil des AG ein. In der ersten Verhandlung in Nürnberg am 7. Juli 2022 scheiterte eine gütliche Einigung und Richter ordnete eine erneute Beweisaufnahme an, die am 17. November 2022 stattfinden sollte. Durch den Vergleich hat sich das erledigt, dennoch bleiben die von beiden Seiten erhoben massiven Vorwürfe ungeklärt stehen. In der gütlichen Einigung haben sich, nach Aussage eines Gerichtssprechers, die Parteien auf eine ordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2021 verständigt – rund ein halbes Jahr nach dem wirklichen Ausscheiden. Das Klinikum habe sich verpflichtet, dies ordentlich abzurechnen und die Nettolöhne auszuzahlen. Abgesehen von Ansprüchen auf betriebliche Altersvorsorge bestehen nun keine wechselseitigen Ansprüche mehr. Ebenso ist ein weiteres vor dem AG Aschaffenburg anhängiges Verfahren erledigt. Das Klinikum hatte gegen den gekündigten Chefarzt vorsorglich eine weitere Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit ausgesprochen, da er eine Privatpraxis eröffnet und als Belegarzt in einer Klinik operiert habe. Auch dagegen hatte sich der Unfallchirurg gewehrt. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgerechnet. Wegen des enorm belasteten Verhältnisses habe man sich „einvernehmlich“ verständigt. Der ehemalige Chefarzt kündigte an, die Auszahlungsbeträge einer gemeinnützigen Einrichtung zu spenden. Als neuer Chefarzt für Unfallchirurgie hat im April 2022 Prof. Dr. René Hartensuer die Nachfolge übernommen. Er kam vom UK Münster und stammt aus dem Main-Tauber-Kreis.

Ebenfalls Vergleich bei dem Rechtsstreit in Siegen

Eine ähnliche Sachlage gab es in Siegen, wo zur Jahresmitte 2022 in dem gut ein Jahr andauernden Rechtsstreit des ehemaligen Chefarztes der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, gegen seinen Arbeitgeber, das Klinikum Siegen (ehemals Kreisklinikum Siegen), mit einem Vergleich beendet wurde. Vor dem Arbeitsgericht Siegen einigten sich beide Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis rückwirkend zum 31. März 2022 aufgrund einer ordentlichen Kündigung zu beenden. Das Klinikum hält nicht länger an den Vorwürfen gegen den Chefarzt fest und muss zudem auch rückwirkend dessen Gehalt zahlen – ihm war zunächst fristlos gekündigt worden. Der Chirurg hatte sich seit Anfang 2021 gegen zwei Kündigungen gewehrt. Das Kreisklinikum hatte diese zunächst mit vier wesentlichen Vorwürfen durchzusetzen versucht: Verstöße gegen Meldepflichten im Zusammenhang mit zwei verstorbenen Patienten, eine generell zu hohe Komplikationsrate, Abrechnungsbetrug und ein teilweise zerrüttetes Verhältnis zu Teilen des Krankenhauspersonals. Eine Schlichtung war gescheitert, ein Termin vor dem Arbeitsgericht im November 2021 ergebnislos geblieben. Der getroffene Vergleich orientiert sich dennoch am damaligen Vorschlag der Kammer. Neuer Chefarzt wurde im März 2022 nach Umbenennung der Klinik in Klinik für Viszeralmedizinische Chirurgie, Adipositas- und Metabolische Chirurgie der zuletzt kommissarische Leiter Privatdozent Dr. med. Sebastian Dango.

Quellen: Main-Echo vom 15.11.2022 und Siegener Zeitung vom 25.5.2022