BVA hält Terminservice- und Versorgungsgesetz für kontraproduktiv

Das von Gesundheitsminister Jens Spahn geplante „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (TSVG) wird vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) deutlich kritisiert. Prof. Dr. Bernd Bertram, 1. Vorsitzender des BVA, erläutert die wesentlichen Kritikpunkte der Augenärzte.

Das TSVG sieht vor, dass Facharztgruppen der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung (z.B. konservativ tätige Augenärzte) mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten müssen – ohne vorherige Terminvereinbarung. Diese Regelung werde die Wartezeiten nicht verkürzen, sondern sie insbesondere für die vielen chronisch Kranken verlängern, erwartet B. Bertram. 

Wirtschaftlicher Einsatz der Ressourcen erfordert Planung

Seit vielen Jahren hat sich in augenärztlichen Praxen eine Mischform aus Termin- und offener Sprechstunde bewährt: Patienten mit einem planbaren Untersuchungs- und Behandlungsbedarf erhalten Termine, bei denen die für sie erforderlichen Mitarbeiter und Geräte zur Verfügung stehen. Notfälle werden auch ohne Termin in dieser Sprechstunde zusätzlich untersucht. Speziell geschulte Mitarbeiter können dafür im Vorgespräch mit den Patienten rasch abklären, wie dringend ein Fall ist und dafür sorgen, dass diese Patienten ohne große Verzögerung untersucht werden. Der wirtschaftliche Einsatz der Ressourcen erfordert eine sorgfältige Planung – viele Praxen bieten deswegen Spezialsprechstunden an. Auch für die Untersuchung von Kindern gibt es oft besondere Sprechstunden mit besonders qualifizierten Mitarbeitern.

Wenn Augenarztpraxen nun fünf Stunden pro Woche eine offene Sprechstunde anbieten müssten, stelle das einen erheblichen Eingriff in die Praxisorganisation dar, kritisiert B. Bertram. Die überwiegende Zahl der Augenärzte biete ohnehin schon weit mehr als die künftig vorgeschriebenen 25 Stunden pro Woche an. Die neue, offene Sprechstunde gehe dann zu Lasten der Terminsprechstunde. In einer offenen Sprechstunde lässt sich aber nicht garantieren, dass für jeden Patienten genau der spezialisierte Ansprechpartner oder das benötigte Untersuchungsgerät verfügbar ist. Oft muss deshalb doch wieder ein Termin verabredet werden und der Patient ist vergebens gekommen. Für die planbaren Termine wiederum stehen pro Woche nun fünf Stunden weniger zur Verfügung, so dass sich die Wartezeiten auf einen Termin für die Patienten verlängern.

Regelung für Neupatienten unsinnig

Besonders unsinnig ist für den BVA die finanzielle Förderung der Betreuung sogenannter Neupatienten. Dies sind Patienten, die seit mindestens vier Jahren nicht mehr in der Praxis waren, also meist Patienten mit einfachen Augenentzündungen, mit Fremdkörpern im Auge oder Patienten, die zum Ausschluss von Augenerkrankungen in die Praxis kommen. Warum es dafür bevorzugt Termine und eine spezielle finanzielle Förderung geben soll zu Lasten der Patienten mit schweren Augenkrankheiten, die eine aufwendigere Versorgung benötigen, ist nicht nachvollziehbar. Nach Meinung des BVA sollte es genau umgekehrt sein: Die aufwendigere Versorgung schwerer Augenerkrankungen sollte besser bezahlt werden.

BVA lehnt die Spaltung des Fachs ab

Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die Absicht des TSVG, Augenärzte in rein konservativ tätige und operativ tätige Augenärzte aufzuteilen. Der BVA lehne diese Unterteilung strikt ab, betont B. Bertram. Mehr als 90% der Augenärzte, die auch operieren, verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit in der nicht operativen Grundversorgung der Patienten. Und die Mehrzahl der nicht operierenden Augenärzte arbeitet mit einem oder mehreren Operateuren in Gemeinschaftspraxen oder medizinischen Versorgungszentren zusammen. Laut TSVG darf künftig der „Operateur“ frei wählen, wie er die Sprechstunde gestaltet, der „Nicht Operateur“ muss eine offene Sprechstunde anbieten. 

Terminplanung über Servicestellen, Krankenkassen und Apps nicht zielführend

Schließlich kritisiert B. Bertram den Plan, Termine vermehrt über die Terminservicestellen, über Krankenkassen oder eine App zu vergeben. Wichtige Informationen für den Patienten und die Praxis können dann nicht ausgetauscht werden. Wenn der Patient z.B. nicht weiß, dass er zu bestimmten Untersuchungen nicht selbst mit dem Auto anreisen darf, weil die Pupille medikamentös weitgestellt werden muss. Kommt er doch mit dem Auto, kann die Untersuchung nicht ausgeführt werden und es muss ein neuer Termin vereinbart werden. Und nur im direkten Gespräch mit dem geschulten Personal der Praxis lässt sich klären, ob eine Untersuchung noch am selben Tag dringend notwendig ist oder ob ein Termin in einer oder zwei Wochen ausreicht.

Das TSVG werde weder eine bessere Versorgung möglich machen, noch werde es erreichen, dass Patienten rascher einen Termin bekommen, so B. Bertram. Damit die augenmedizinische Versorgung angesichts eines steigenden Bedarfs flächendeckend verbessert werden kann, gelte es, die vertragsärztliche Tätigkeit von bürokratischem Ballast zu befreien und die Arbeit in der Augenarztpraxis für Ärzte attraktiv zu machen.

 Quelle: BVA