EuGH: Operationskosten im Ausland müssen in dringenden Fällen auch ohne vorherige Genehmigung erstattet werden

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 23. September 2020, dass Operationskosten im Ausland bis zur Höhe der Behandlungskosten im Heimatland grundsätzlich erstattet werden müssen. Bei sehr dringenden Behandlungen ist hierfür keine Vorabgenehmigung erforderlich (Az: C-777/18).

Ein ungarischer Staatsagehöriger erlitt im Jahr 1987 eine Netzhautablösung, die zur Erblindung seines linken Auges führte. Im Jahr 2015 diagnostizierten die Ärzte zudem ein Glaukom an seinem rechen Auge. Trotz mehrerer Behandlungen in verschiedenen ungarischen Gesundheitseinrichtungen verbesserte sich sein Zustand nicht. Sein Gesichtsfeld verringerte sich zunehmend und sein Augeninnendruck erhöhte sich weiter. Daraufhin lies sich der Patient im Oktober 2017 von einem Augenarzt in Recklinghausen untersuchen. Dieser nahm unmittelbar einen operativen Eingriff vor, um die Sehkraft des Patienten zu erhalten. Der Patient stellte bei den ungarischen Behörden einen Antrag auf Kostenübernahme, der mit der Begründung abgelehnt wurde, dass es sich um eine planbare Operation gehandelt habe, für die der Patient keine Vorabgenehmigung gehabt hätte.

Der Fall gelangte vor den Europäischen Gerichtshof. Dieser stellte klar, dass Patienten, die aufgrund ihres Gesundheitszustands oder der Dringlichkeit einer Behandlung außerstande waren, eine Vorabgenehmigung zu beantragen bzw. die Entscheidung des zuständigen Trägers abzuwarten, sich auch ohne Genehmigung im EU-Ausland behandeln lassen können. Es müsse nun durch ein ungarisches Gericht geprüft werden, ob eine derartige Dringlichkeit vorlag. Sollte das Gericht zu dem Schluss gelangen, diese sei nicht vorhanden, so müsse der Fall erneut vor den EuGH. Dort müsse dann geprüft werden, ob der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und die Richtlinie über grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung einer nationalen Regelung entgegenstehe, also ob das ungarische Recht dem EU-Recht widerspreche, da ein Vorabgenehmigungssystem eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und somit einen Verstoß gegen die Richtlinie über grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung darstellt.