Zum ersten Mal weltweit haben Experten in Kiel einen Tumor der Ohrspeicheldrüse mit Hilfe Roboter-assistierter Technologie minimalinvasiv entfernt. Im Gegensatz zu bisherigen Operationsmethoden waren dafür nur winzige Schnitte am Hals nötig.
Tumoren der Ohrspeicheldrüse sind in den meisten Fällen gutartig, die Tumorzellen könnten aber auch zu Krebszellen entarten und deshalb müssten sie unbedingt vollständig und auf möglichst schonende Weise entfernt werden. Der häufigste gutartige Tumor der Ohrspeicheldrüse ist das pleomorphe Adenom: Es macht zwischen 70 und 80 Prozent aller Speicheldrüsentumoren aus und kommt zu über 80 Prozent in der Ohrspeicheldrüse vor; Frauen sind etwas häufiger davon betroffen als Männer. Problematisch sind vor allem Tumoren im tiefen Anteil der Ohrspeicheldrüse, denn sie können lange unbemerkt wachsen und mitunter beeindruckende Ausmaße annehmen, bevor sie auffällig werden. Bei dem betroffenen Patienten lag der Tumor sehr ungünstig: Unter der Schädelbasis, hinter dem Oberkiefer und in Höhe des Kiefergelenks. Ein möglicher Standardzugang hätte eine Schnittführung am Kinn entlang und die temporäre Durchtrennung des Unterkiefers erfordert.
Um den roboterassistierten Eingriff vorzubereiten, formierte sich aus dem Kurt-Semm-Zentrum für laparoskopische und roboterassistierte Chirurgie in Kiel ein interdisziplinäres Behandlungsteam aus Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde sowie Allgemein- und Viszeralchirurgie. „Bei der roboterassistierten Operationsmethode sind nur kleine Schnitte am Hals nötig“, sagt Dr. med. Dr. med. dent. Henning Wieker, der leitende Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, der den operativen Eingriff als verantwortlicher Operateur zusammen mit dem Oberarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Prof. Dr. med. Martin Laudien und dem kommissarischen Leiter der Thoraxchirurgie aus der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Dr. med. Mark Schlemminger durchgeführt hat.
Bei dem 24jährigen Patienten, der nun weltweit zum ersten Mal erfolgreich mit diesem speziellen Verfahren operiert worden ist, wurde über kleine Zugänge über dem Schlüsselbein mittels Kohlenstoffdioxideinleitung ein Raum im Hals geschaffen, das Kapnoparapharyngeum. So entstand ein ausreichend großer Raum für zwei Roboterarme und einen Kameraarm zur geschlossenen Operation entlang der Halsgefäßscheide. Zur Operationsüberwachung stand ein Navigationssystem zur Verfügung, so dass die Lage der Instrumente im Patienten und zum Tumor kontrolliert werden konnte. „Die Entfernung des Tumors selbst erfolgte dann – dank der Roboterassistenz – Schritt für Schritt und sehr präzise“, so DGMKG-Experte Wieker. Die neue Methode scheint im Vergleich zur bisherigen für den Patienten viel weniger invasiv und schonender, weil das Gesicht nicht an sichtbarer Stelle – vor dem Ohr oder am Unterkiefer – chirurgisch geöffnet werden muss und somit keine sichtbare Narbenbildung im Gesichtsbereich zu erwarten ist.