Kortison beeinflusst nicht nur Gene, sondern auch die Mitochondrien von Makrophagen

Eine durch einen Entzündungsreiz aktivierte Fresszelle, die mit Kortison behandelt wurde. Kortison wirkt nicht nur auf die Gene im Zellkern (blau) ein, sondern auch auf die Mitochondrien (rot). Foto: Brenda Krishnacoumar /Charité

Körpereigenes Kortison (Kortisol) schüttet der Organismus aus, um in wichtigen Situationen leistungsfähig zu sein. In höheren Dosen hemmt es zudem die Aktivität des Immunsystems. Das macht sich die Medizin zunutze: Überschießende Immunreaktionen können mit Kortison äußerst wirksam gedrosselt werden. Über die molekularen Mechanismen, die hierfür verantwortlich sind, war bisher wenig bekannt. Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Uniklinikums Erlangen und der Universität Ulm haben sich diesem Problem nun angenommen.

Molekulare Grundlagen der Immunsupression

Kortison aktiviert in verschiedenen Körperzellen eine Reihe von Genen und kurbelt damit vor allem die Bereitstellung von Ressourcen im Körper an. Seine stark immundämpfende Wirkung lässt sich damit jedoch nicht ausreichend erklären, so Prof. Dr. med. Gerhard Krönke, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Charité, der die Studie leitete.

Für die Studie konzentrierte das Forschungsteam auf die Fresszellen des Immunsystems, die Makrophagen. Sie beseitigen einerseits Eindringlinge wie Viren und Bakterien, können aber auch zur Entstehung von entzündlichen Erkrankungen beitragen. Als Reaktion auf die Entzündung stellten die Mitochondrien der Makrophagen ihre Funktion von der Energieproduktion auf die Synthese von proinflammatorischen Zytokinen um.

Mitochondrien werden umprogrammiert

Die Wissenschaftler untersuchten die aus Mäusen gewonnenen Makrophagen in vitro darauf, wie sie auf Entzündungsreize reagierten und welche Auswirkungen die zusätzliche Gabe eines Kortisonpräparats hatte. Dabei beobachteten die Forscher, dass Kortison – neben seiner Wirkung auf Gene – vor allem Änderungen im Zellstoffwechsel der Makrophagen rückgängig machte, die zuvor durch die Entzündungsreize angestoßen worden waren: Die Mitochondrien wurden umprogrammiert und lieferten vor allem wieder Energie. Eine steuernde Rolle spielt dabei das kleine Molekül Itaconat.

Itaconat vermittelt entzündungshemmende Wirkung von Kortison

Itaconat ist ein Stoffwechselprodukt, das von Mitochondrien aktivierter Makrophagen produziert wird und selbst entzündungshemmend wirkt. Dies führt dazu, dass die Entzündungsreaktion nach einer gewissen Zeit zurückgeht. Für die Freisetzung von Itaconat wird allerdings Energie benötigt. Da die Mitochondrien bei Vorliegen eines Entzündungsreizes aber weniger Energie bereitstellen, kommt die Produktion von Itaconat nach einer Weile zum Erliegen. Bei kurzzeitigen Entzündungen ist dies sinnvoll. „Bei einem lang anhaltenden Entzündungsreiz ist das Abfallen der Itaconat-Produktion ein Problem, weil die Immunbremse ausfällt, obwohl das Immunsystem noch auf Hochtouren läuft – es entsteht eine chronische Entzündung“, so Dr. Jean-Philippe Auger, Wissenschaftler in der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie am Uniklinikum Erlangen und Erstautor der Studie. Kortison programmiere die Mitochondrienfunktion um und kurble so die Bildung von Itaconat wieder an.

Auger JP et al (2024) Metabolic rewiring promotes anti-inflammatory effects of glucocorticoids. Nature: 10. April 10, doi 10.1038/s41586-024-07282-7