Refeeding-Syndrom bleibt im Krankenhaus häufig unerkannt

Zu geringe oder fehlende Kalorienaufnahme ist eine durchaus häufige Begleiterscheinung verschiedener Erkrankungen. Etwa 35 Prozent der Patientinnen/Patienten in Krankenhäusern sind laut dem Ernährungsbericht 2019 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von Mangelernährung betroffen, 20 Prozent in schwerer Form.  Bei einer Krankenhausbehandlung erfordert dies neben der Therapie der Grunderkrankung eine gesonderte Versorgung. Denn wird die Nahrungsaufnahme nach einer längeren Phase der Unterernährung in der Klinik wieder aufgenommen, kann dies zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen, dem sogenannten Refeeding-Syndrom (RFS). Dieses Risiko besteht bei etwa acht bis 14 Prozent der Fälle. „Da das Refeeding-Syndrom aber wenig bekannt ist und dessen Symptome sehr unspezifisch sind, ist es für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht einfach zu erkennen“, erklärt Dr. Haiko Schlögl . „Es kann bei jeder Form der Nahrungsaufnahmen auftreten, egal, ob einfach reguläre Mahlzeiten eingenommen werden oder die Betroffenen speziell ernährt werden, zum Beispiel über eine Sonde“, führt der Internist und Ernährungsmediziner aus, der als ärztlicher Leiter des Ernährungsteams am Universitätsklinikum Leipzig für die Betreuung solcher Patientinnen/Patienten verantwortlich ist. Symptome für ein RFS sind oft unklare Beschwerden des Kreislaufs und des Nervensystems, die aufgrund der Verschiebungen im Mineralstoff- und Flüssigkeitshaushalts im Körper auftreten. Befragungen unter Medizinern zufolge erkennen weniger als 20 Prozent dieses Krankheitsbild und behandeln gezielt. Das aber ist nötig: Wird nicht rechtzeitig gegengesteuert, können die Betroffenen sterben. Die Wiedereinführung der Ernährung müsse in kalorienreduzierter Form erfolgen und eine gezielte Versorgung mit bestimmten Elektrolyten und Vitaminen beinhalten.  
Das Leipziger Team hat daher ein spezielles Screeningssystem für Mangelernährung eingeführt, das Betroffene bereits bei Aufnahme identifiziert und so dafür sorgt, dass diese anschließend ernährungstherapeutisch betreut werden können. Im Analyse- und Meldesysten AMPEL werden Laborbefunde in Echtzeit mit Blick auf bestimmte Grenzwerte analysiert, so dass bei kritischen Werten umgehend eine Alarmierung der behandelnden Ärztinnen/Ärzte erfolgt. 
Nun wurden diese Maßnahmen um ein gemeinsam entwickeltes klinisches Entscheidungssystem ergänzt, dass anhand von Echtzeit-Laborwerten automatisiert RFS-Verdachtsfälle identifiziert und das Ernährungsteam alarmiert. In einer sechsmonatigen Testphase wurden auf dieses Weise 21 RFS-Betroffene identifiziert. Eine parallele Befragung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte ergab, dass mehr als die Hälfte das Krankheitsbild ohne die automatisierte Diagnose nicht erkannt hätten. Am Universitätsklinikum Leipzig wurde das Entscheidungssystem nach der erfolgreichen Probephase nun deutschlandweit erstmalig regulär etabliert. Dass dies erforderlich ist, bestätigen die Ergebnisse – das Ernährungsteam erhält über das System zwei bis drei Alarme pro Woche.