Staatliches Implantateregister: Unfallchirurgen und Orthopäden fordern mehr Expertise, mehr Datenerhebungen, garantierte Patientensicherheit

Ende September 2019 hat der Bundestag beschlossen, ab dem Jahr 2021 alle implantierten Medizinprodukte in einem staatlichen Implantateregister verpflichtend zu erfassen. Dies trifft auch auf die über 400 000 künstlichen Hüft- und Kniegelenke zu, die Orthopäden und Unfallchirurgen hierzulande jedes Jahr implantieren. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik, die Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie begrüßen diesen Schritt. Nun gelte es, die Möglichkeiten des Registers für eine bestmögliche Versorgung auch zu nutzen. Warum deshalb unter anderem auch die Prothesenfunktion sowie eine sogenannte Risikoadjustierung – eine Berücksichtigung von Risiken durch besonders schwere Krankheitsbilder – Eingang in das Implantateregister finden sollten, diskutierten Experten auf der Vorab-Pressekonferenz des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) am 10. Oktober 2019 in Berlin.

Ersatzgelenke leisten ihren Dienst heute in der Regel über 20 Jahre. Dennoch werden in Deutschland jedes Jahr über 45 000 Wechseloperationen durchgeführt. Diese sind für die Patienten sehr belastend. „Das Implantateregister ist ein wichtiger Schritt für ein bundesweites, flächendeckendes Monitoring eingesetzter Implantate und möglicher Komplikationen“, begrüßte Professor Dr. Carsten Perka, Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin den aktuellen Beschluss des Bundestages. „Wir sehen es als Bestätigung unserer Arbeit, dass das im Verbund von DGOOC, Kliniken, Krankenkassen und Industrie vor über sieben Jahren initiierte Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) für das Implantateregister de facto nun als ‚Blaupause’ dient.“

Datenpool Grundlage für korrekte Schlussfolgerungen

An dem EPRD nehmen bislang 750 von rund 1500 Kliniken teil. Schon jetzt liefert es wertvolle Erkenntnisse, etwa über das frühzeitige Versagen neuer Prothesentypen. „Von einer nun verpflichtenden Teilnahme aller Kliniken am Implantateregister versprechen wir uns noch mehr Aussagekraft und damit eine weitere Verbesserung der Patientensicherheit.“ Denn die Teilnahme am EPRD ist freiwillig. Ebenso wird der Dokumentationsaufwand nicht vergütet. „Dies hielt viele Kliniken bisher von einer Teilnahme ab“, berichtete C. Perka. „Es wäre sinnvoll, nun zusätzliche Information in das Implantateregister aufzunehmen.“ Denn Schlussfolgerungen könnten immer nur so gut sein wie der Datenpool, aus dem sie gewonnen werden. Das Thema der Risikoadjustierung für komplexe und risikobehaftete Fälle gehöre definitiv mit zu den wichtigsten Punkten.

Patienten mit herausfordernden Krankheitsfällen: Risikoausgleich im Score festlegen

Gerade Zentren und Kliniken der Maximalversorgung behandeln einen hohen Anteil an Patienten mit sehr herausfordernden Krankheitsbildern. „Dies sind Menschen, die oftmals eine Krankenhausodyssee hinter sich haben, mehrfach voroperiert sind und an komplexen Beschwerden wie einer chronischen Infektion oder fortgeschrittenen rheumatischen Erkrankung leiden“, so C. Perka. Da die Ausgangssituation jedoch nicht mit der des Routinefalls vergleichbar sei, gelte es, hier einen Risikoausgleich im Score festzulegen. „Sonst sind die Einrichtungen, die sich um die schweren Fälle kümmern, in ihrer Bewertung benachteiligt. Wir wollen schließlich, dass auch die wirklich kranken Patienten operiert werden und nicht nur die im Prinzip gesunden Patienten mit Gelenkarthrose, bei denen ein hervorragendes Ergebnis und damit eine erstklassige Bewertung zu erwarten sind.“ Mit einer Risikoadjustierung ließen sich zudem falsch negative Bewertungen von an und für sich guten Prothesen vermeiden. Denn auch diese könnten in einer Problemsituation schlechter abschneiden. Auch die tatsächliche Funktion der Prothese sei ein wichtiges Kriterium, das in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden müsse. „Hier sollten wir nicht nur uns Ärzte, sondern auch die Patienten selbst zu Wort kommen lassen“, führte C. Perka aus. Das sogenannte „Patient related outcome measurement“ (PROMS) steht neben der Risikoadjustierung deshalb ebenfalls auf der Agenda des DKOU. Doch mehr Qualität gäbe es nicht umsonst: „Eine Ausweitung der Datenerhebung ohne die Bereitstellung von Personal oder eine Bezahlung für die erhobenen Datensätze ist aus meiner Sicht nicht möglich“, stellte C. Perka abschließend fest.