Urteil: Erblindete Menschen haben Anspruch auf Kostenübernahme eines Netzhautchips

Nach einer Entscheidung des Sozialgerichtes Gelsenkirchen vom Dezember 2018 haben erblindete Menschen einen Anspruch auf die Kostenübernahme eines Netzhautchips durch ihre gesetzliche Versicherung (Az.: S 11 KR 250/18).

Geklagt hatte eine 1948 geborene, gesetzlich versicherte Frau mit einer erblich bedingten Netzhautdegeneration in Form einer beidseitigen Zapfen-Stäbchen-Dystrophie. Zudem leidet sie unter einem peripapillären Hämangiom und einer Katarakt auf dem rechten Auge. Beim linken Auge liegt eine Pseudophakie und ein Zustand nach Pars-plana-Vitrektomie vor. Die Sehschärfe sowie das Gesichtsfeld der Frau waren nicht mehr messbar, die Patientin nahm lediglich einen Lichtschein wahr.

Die Patientin beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für ein subretinales Implantat für das linke Auge, das sie sich an der Universitätsaugenklinik Tübingen implantieren lassen wollte. Der sozialmedizinische Dienst ihrer Krankenkasse empfahl jedoch eine Ablehnung der Kostenübernahme, da die Behandlungsmethode nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt ist und die Patientin auch nach Einsetzen des Implantats weiterhin hochgradig sehbehindert oder blind sein würde. Daraufhin lehnte die Krankenkasse die Übernahme ab und der Fall gelangte vor das Sozialgericht.

Dieses gab der Patientin recht und begründete seine Entscheidung mit einem Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr 2005 (Az.: B 1 BVR 347/98). In diesem Grundsatzurteil stellte das Bundessozialgericht klar, dass Krankenkassen für Patienten mit lebensbedrohlichen oder tödlichen Erkrankungen, bei denen keine übliche Behandlungsmethode zur Verfügung steht, auch die Kosten für neue Behandlungsmethoden übernehmen müssen, die nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt sind. Voraussetzung hierfür ist, dass diese neuen Methoden eine Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Entwicklung des Krankheitsverlaufes haben. Auch wenn ein Patient nicht lebensbedrohlich erkrankt sei, so genügt es, wenn seine Erkrankung „wertungsmäßig damit vergleichbar“ ist. Dies trifft auf eine drohende Erblindung oder Erblindung zu. Ein Netzhautchip könne – so das Sozialgericht – eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf der Klägerin und eine Besserung von Sehschärfe und Gesichtsfeld zur Folge haben.