Obwohl die Zahl der Ärztinnen in den vergangenen Jahren weltweit gestiegen ist, sind Frauen in der Chirurgie nach wie vor in der Minderheit. Dass dies nicht an den chirurgischen Fähigkeiten, sondern viel mehr an den für Frauen in der Regel ungünstigeren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen liegt, wird seit geraumer Zeit thematisiert. Eine kürzlich im British Medical Journal publizierte Studie aus Japan hat nun die Ergebnisse der bei drei gängigen OP-Verfahren bei Magen- und Rektumkarzinomen (distale Gastrektomie, totale Gastrektomie und tiefe anteriore Rektumresektion) jeweils bei männlichen und weiblichen Operateuren untersucht [1]. Die Studie zeigt keine Unterschiede bei der Sterbe- oder Komplikationsrate – trotz des Umstands, dass Chirurginnen häufiger als ihre männlichen Kollegen mit Hochrisikopatienten betraut waren.
Keine Unterschiede bei Todesfällen oder chirurgischen Komplikationen zwischen männlichen und weiblichen Chirurgen
Das Forscherteam um Kae Okoshi nutzte die japanische Nationale Klinische Datenbank (NCD), die Daten zu über 95 Prozent der in Japan durchgeführten Operationen enthält, um die chirurgischen Ergebnisse von weiblichen und männlichen Chirurgen zwischen 2013 und 2017 zu vergleichen. Außerdem untersuchten sie den Zusammenhang zwischen der postoperativen Sterblichkeit (90 Tage post OP), den chirurgischen Komplikationsraten (bis 30 Tage post OP) und der Ausbildung der jeweiligen Operateure. Insgesamt wurden 149 193 distale Gastrektomien, 63 417 totale Gastrektomien und 81 593 tiefe anteriore Rektumresektionen in die Studie eingeschlossen. Die Forscher fanden heraus, dass weibliche Chirurgen lediglich fünf Prozent dieser Eingriffe durchführten – was am sehr geringen Frauenanteil von nur knapp sechs Prozent in der Chirurgie in Japan liegen dürfte – und seltener als ihre männlichen Kollegen in Zentren mit hohem Operationsvolumen arbeiteten. Weibliche Chirurgen wurden zudem häufiger mit Hochrisikopatienten betraut (u.a. Unterernährung, langjährige Einnahme von Steroiden und spätere Krankheitsstadien). Dennoch fand das Forscherteam nach Berücksichtigung anderer patientenbezogener Faktoren keine Unterschiede in den Raten von Todesfällen oder chirurgischen Komplikationen zwischen männlichen und weiblichen Chirurgen. Im Durchschnitt hatten weibliche Chirurgen zudem weniger Jahre Arbeitserfahrung und führten seltener minimalinvasive Eingriffe durch. Die Forscher vermuten, dass dies auf schlechtere Ausbildungsmöglichkeiten und die konkurrierenden Anforderungen der traditionellen gesellschaftlichen Rollen von Frauen in Japan zurückzuführen ist. „Laut unserer Analyse gab es keinen signifikanten Unterschied bei der Sterblichkeit oder den Komplikationsraten nach den Operationen, die von weiblichen und männlichen Chirurgen durchgeführt wurden, was darauf hindeutet, dass sowohl Chirurginnen als auch Chirurgen bei der Entwicklung ihrer chirurgischen Fähigkeiten gleichermaßen erfolgreich sind“, erklärt das Autorenteam. „Eine effizientere chirurgische Ausbildung für weibliche Chirurgen könnte die chirurgischen Ergebnisse weiter verbessern.“ Studien aus den USA und Kanada hatten zuvor ergeben, dass die Fähigkeiten von Chirurginnen gleich oder sogar besser sind als die ihrer männlichen Kollegen. So zeigte etwa eine in JAMA Surgery veröffentlichte Untersuchung, dass Frauen die besseren Operateure vor allem für weibliche Patienten sind. Patientinnen ging es nach einem Eingriff besser, wenn Frauen die Operation durchgeführt hatten.
Quelle: Medscape
- Okoshi K, Endo H, Nomura S, et al (2022) Comparison of short term surgical outcomes of male and female gastrointestinal surgeons in Japan: retrospective cohort study. BMJ 378: e070568
- Wallis CJD, Jerath A, Coburn N, et al (2022) Association of surgeon-patient sex concordance with postoperative outcomes. JAMA Surg 157: 146–156