Einbruch der Organspendezahlen im ersten Quartal 2022, danach folgten Stabilisierung und Stillstand: Das Jahr 2022 ist geprägt durch die Auswirkungen der Pandemie und des Personalmangels in den Krankenhäusern einerseits, einer ausbleibenden Steigerung der Organspendezahlen andererseits. Für 2022 verzeichnet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) einen Rückgang der Zahl der Organspender um 6,9 Prozent. Im vergangenen Jahr haben 869 Menschen nach ihrem Tod eines oder mehrere Organe gespendet. Dies sind 64 weniger als 2021 und entspricht 10,3 Spendern/1 Mio. Einwohner (2021: 11,2). Auch die Summe der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden konnten, sank auf 2662 (Vorjahreszeitraum: 2905) – die Zahl der postmortal entnommenen Organe ging um 8,4 Prozent im Vergleich zu 2021 zurück.
Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO dazu: „Auch, wenn der starke Rückgang der Organspendezahlen vor allem pandemiebedingt auf die ersten Monate 2022 zurückzuführen ist und sich die Zahlen danach stabilisierten, stellt sich die Frage, warum es nicht gelingt, die Organspendezahlen zu steigern … Das ernüchternde Fazit ist, dass wir im vergangenen Jahr weniger Menschen mit einer lebensrettenden Transplantation helfen konnten. Das ist für jede einzelne Patientin und jeden einzelnen Patienten auf den Wartelisten dramatisch.“ Im vergangenen Jahr wurden in den 46 Transplantationszentren 2795 Organe nach postmortaler Spende übertragen (2021: 2979). Damit wurde insgesamt 2695 Schwerkranken durch ein oder mehrere Organe eine bessere Lebensqualität oder gar ein Weiterleben geschenkt (2021: 2853). Gleichzeitig stehen in Deutschland derzeit rund 8500 Menschen auf den Wartelisten. Aus Sicht der DSO spielen mehrere Gründe für diese Entwicklung im vergangenen Jahr eine Rolle. Die Coronavirus-Pandemie mit daraus resultierenden Krankenständen beim Klinikpersonal belasteten das gesamte Gesundheitssystem. Die organspendebezogenen Kontaktaufnahmen der Kliniken zur DSO haben sich im Vergleich zum Vorjahr sogar erhöht (von 3132 auf 3256), was allerdings nicht zu mehr Organspenden führte. Kernfrage bleibt für die DSO deshalb, warum keine Steigerung der Organspende erzielt werden konnte, trotz guter Voraussetzungen, die durch Gesetzesänderungen geschaffen wurden. Von allen Spendermeldungen im letzten Jahr konnten im Vergleich zu den Vorjahren weniger Spenden realisiert werden – häufigster Grund ist eine fehlende Einwilligung. Mit zunehmendem Alter der Spender spielen auch Kontraindikationen, medizinische Ausschlussgründe, eine immer größere Rolle. Bei der Hälfte der 2022 möglichen Organspenden, die nicht realisiert werden konnten, war die fehlende Einwilligung der Grund. Gleichzeitig ist auffällig, dass eine Ablehnung der Organspende in weniger als einem Viertel der Fälle auf einem bekannten schriftlichen (7,3 Prozent) oder mündlichen (16,3 Prozent) Willen der Verstorbenen basierte. In 42 Prozent erfolgte die Ablehnung aufgrund des vermuteten Willens, 35 Prozent der Ablehnungen beruhten auf der Einschätzung der Angehörigen. „Wir brauchen das volle Engagement der Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte in den Kliniken, die Unterstützung der Politik und vor allem auch die Zustimmung der Bevölkerung“, so Rahmel. Umfragen zeigten immer wieder, dass etwa 80 Prozent die Organspende befürworten. „Angehörige entscheiden sich aus Unsicherheit aber häufig dagegen, da der Wille des Verstobenen nicht bekannt ist. Hier kann nur Aufklärung etwas verändern und möglicherweise auch der Anstoß über eine Widerspruchsregelung, wie von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach im letzten Jahr vorgeschlagen.