Der Gesetzgeber muss Patientinnen/Patienten bei ästhetischen Eingriffen endlich schützen“, fordert Prof. Henrik Menke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC), nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf weitgehend bestätigt hat (Az.: 3 StR 162/22): Der angeklagte Düsseldorfer Internist ist damit zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem wurde ihm verboten, für vier Jahre chirurgische Eingriffe vorzunehmen oder bei diesen zu assistieren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich dieser 2018 der Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen schuldig gemacht hat. Er hatte bei zwei Patientinnen im Rahmen einer Gesäßvergrößerung (Brazilian Butt Lift) Liposuktionen und Lipotransfers durchgeführt, bei denen große Mengen an Fett abgesaugt und in Brust und Gesäß wieder eingebracht wurden. Dies führte aufgrund von hohem Blutverlust zu Kreislaufversagen, außerdem gelangte bei der Einspritzung Fett in den Blutkreislauf und damit letztendlich in die Lunge, wo es eine Embolie verursachte. „Mit diesem Urteil werden Patientinnen nicht dauerhaft vor diesem Operateur geschützt, zugleich zeigt sich hier erneut dringender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, um Patientinnen und Patienten nachhaltig zu schützen,“ konstatiert Menke.
Folge man der Argumentation des BGH, so wären die Todesfälle für den Internisten bei korrekter Aufklärung möglicherweise ohne Konsequenzen geblieben
Die Urteilsbegründung des BHG offenbart, dass für das Gericht lediglich die unzulängliche Aufklärung der Patientinnen über die Risiken und Alternativen des Eingriffs entscheidend war – nicht aber die Qualifikation des Behandlers. Folge man der Argumentation des BGH, so wären die Todesfälle für den Internisten bei korrekter Aufklärung möglicherweise ohne Konsequenzen geblieben, empört sich Menke. Dem Gericht könne man hier kaum einen Vorwurf machen, da die aktuelle Rechtslage in Deutschland mit zweierlei Maß messe. „Eigentlich schreibt die Berufsordnung vor, dass Ärzte nur solche Eingriffe durchführen dürfen, die sie in ihrer Weiterbildung erlernt haben“, erläutert Menke. So sei in der kurativen Versorgung seitens der gesetzlichen Krankenkassen der Facharztstandard auch zwingend notwendig. Dieser Grundsatz sei allerdings durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2011 im Grunde aufgehoben worden, wenn es um Selbstzahler gehe. So hatte das BVerfG geurteilt, dass approbierte Ärzte im Rahmen ihrer Berufsfreiheit Privatpatienten auch außerhalb ihres Fachgebiets behandeln dürfen. „Diese Entscheidung hat seitdem unqualifizierten Behandlern Tür und Tor geöffnet und den Patientenschutz im Bereich der wunscherfüllenden Medizin effektiv ausgehebelt“. Gerade bei der stetig wachsenden Popularität ästhetischer Eingriffe sei hier eine Verschärfung der Gesetzeslage, wie sie die DGPRÄC seit Jahren fordere, überfällig. Der vorliegende Fall lege damit ein Versagen des Staates beim Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger offen: Rein rechtlich dürfe der Internist die äußerst anspruchsvollen Eingriffe nach dem Ende seines temporären Berufsverbots zweifelsohne wieder durchführen, dies sei fatal.
„In Reaktion auf die Todesfälle haben wir als Fachgesellschaft gemeinsam mit anderen Verbänden unter der Ägide der Ärztekammer Nordrhein ‚Anforderungen für die Durchführung von schönheitschirurgischen Wunschbehandlungen für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte‘ konsentiert, die dann vom Kammervorstand beschlossen wurden“, so Menke. Damit sei ein Rahmen formuliert worden, der bereits innerärztlich konsentiert sei und als Grundlage für die weitere politische Diskussion dienen könne. Fest stehe, dass der Gesetzgeber endlich reagieren müsse, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden; dies sei von besonderer Bedeutung, da ästhetische Eingriffe sich weiter normalisierten und jüngere Menschen nicht zuletzt durch die Sozialen Medien immer niedrigschwelliger angesprochen würden. Diese Entwicklung lasse sich wohl kaum umkehren, umso wichtiger sei es, dass von adäquat ausgebildeten Fachärzten behandelt werde – im Übrigen auch bei minimalinvasiven Eingriffen, wie Faltenunterspritzungen. „Auch hier sind schwerwiegende Komplikationen, wie etwa Erblindungen möglich. Es ist daher unabdingbar, dass anatomische Kenntnisse und manuelles Geschick vorhanden sind. Mit Plastischen und Ästhetischen Chirurginnen/Chirurgen ist man hier auf der sicheren Seite. Diese haben in ihrer sechsjährigen Weiterbildung gelernt, Form und Funktion von Kopf bis Fuß wiederherzustellen und wissen bei Komplikationen, was zu tun ist,“ so der Chefarzt.