„SELREC-Studie“, ein Projekt der Initiative „Nationale Dekade gegen Krebs“ des BMBF, unter Beteiligung von über 35 Zentren in ganz Deutschland gestartet
Eine groß angelegte Studie unter Federführung der Chirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) zur erforderlichen Intensität bei der Mastdarmkrebsbehandlung wird ab sofort vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für vier Jahre mit 4,6 Millionen Euro gefördert. Die Studie (SELREC), in die insgesamt rund 1100 Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Enddarmkarzinom aus über 35 deutschen Kliniken einbezogen werden, vergleicht zwei Therapiestrategien. Sie soll die Frage beantworten, ob bei bestimmten Patientinnen/Patienten zugunsten einer höheren Lebensqualität auf die regulär der Operation vorgeschaltete Bestrahlung mit oder ohne Chemotherapie verzichtet werden kann – ohne dadurch das Risiko für ein Wiederauftreten des Tumors zu erhöhen. Die Förderung ist Bestandteil der vom BMBF mit zahlreichen Partnern ins Leben gerufenen Initiative „Nationale Dekade gegen Krebs“. Deren Ziel: Die Krebsforschung weiter voranzubringen und dabei Patientinnen und Patienten eng einzubinden.
Neoadjuvante Therapie: Selteneres Wiederauftreten des Tumors, aber keine höhere Fünfjahres-Überlebenschance, stattdessen häufig funktionelle Einschränkungen
Für die Therapie von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Tumor des sogenannten Mastdarms empfehlen aktuelle Behandlungsleitlinien vor der Operation (neoadjuvant) eine Bestrahlung mit oder ohne Chemotherapie. Studien haben gezeigt, dass diese Behandlungsstrategie das spätere Wiederauftreten des Tumors an dieser Stelle bedeutend verringern kann. „Leider geht damit keine höhere Fünfjahres-Überlebenschance einher, stattdessen kommt es aber häufig zu funktionellen Einschränkungen in Form von Stuhlinkontinenz oder Störungen der sexuellen Aktivität. Das bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität“, erläutert Studienleiterin Privatdozentin Dr. med. Rosa Klotz, Oberärztin der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des UKHD. Gleichzeitig geben kleinere Studien inzwischen Hinweise darauf, dass bei Betroffenen, bei denen der Tumor noch ausreichend Abstand zur äußeren Darmhülle hat, ein Ansatz ohne vorgeschaltete Strahlen- oder kombinierte Strahlenchemotherapie ähnlich wirksam sein könnte wie die gängige Strategie mit neoadjuvanter Therapie. „Vor diesem Hintergrund war es an der Zeit, mit einer aussagekräftigen Studie mit großer Anzahl an Patientinnen/Patienten zu prüfen, ob beide Behandlungspfade gleichwertig sind. Wenn ja, könnte man dieser klar definierten Patientengruppe die belastenden Nebenwirkungen der neoadjuvanten Therapie ersparen, allerdings ist der Langzeitverlauf noch nicht ausreichend untersucht“, so Klotz. „Diesen Aspekt werden wir ebenso wie die subjektiv empfundene Lebensqualität der Betroffenen in der SELREC-Studie erstmals berücksichtigen und vergleichen.“
Prof. Dr. med. Christoph Michalski, der neue Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des UKHD, ergänzt: „Je nach Art und Stadium des Mastdarmkrebs benötigen manche Patientinnen und Patienten mehr, andere weniger Therapie. Für alle müssen wir die individuell beste Behandlungsmethode identifizieren. Die SELREC-Studie wird einen äußerst wichtigen Beitrag dazu leisten. Die Relevanz der untersuchten Fragestellung belegen aktuelle Daten der PROSPECT-Studie unter Federführung der University of North Carolina, USA, zu Lebensqualität und Toxizität der neoadjuvanten Therapie beim Mastdarmkrebs, die gerade auf dem wichtigsten Krebskongress in den USA präsentiert wurden.“ Wer an der Studie teilnimmt, wird per Zufall in die Gruppe mit oder ohne neoadjuvante Therapie zugeteilt. Bei beiden Gruppen wird nach der Operation – je nach pathologischem Ergebnis – regulär eine Chemotherapie durchgeführt. In den folgenden drei Jahren erheben die Studienteams u. a. das mögliche Wiederauftreten des Tumors, funktionelle Einschränkungen sowie mit Fragebögen die Lebensqualität. Man geht davon aus, dass die Studie höchst relevante Ergebnisse liefern wird, aus denen sich konkrete Empfehlungen für die Therapie ableiten lassen.
Die SELREC-Studie (Förderkennzeichen 01KD2204A) wurde durch das Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (SDGC) an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, von der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, der Abteilung für RadioOnkologie und Strahlentherapie, der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und dem Pathologischen Institut am UKHD sowie Partnern am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) initiiert.
Dr. rer. med. Solveig Tenckhoff, Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (SDGC),
Telefon 06221/56-36839. Solveig.Tenckhoff@med.uni-heidelberg.de