Nachruf: Trauer um Karl-Wilhelm Jacobi (1935–2017)

Prof. Dr. med. Karl Wilhelm Jacobi eröffnet am 6. März 1987 in Gießen als 1. DGII-Präsident die 1. DGII-Tagung (Foto: ZPA-Archiv).

Binnen kurzer Zeit betrauert die Deutsche Gesellschaft für Intraokularlinsen Implantation, Refraktive und Interventionelle Chirurgie zum zweiten Mal den Heimgang eines ihrer Gründer. Nur wenige Wochen nach Jörg Draeger hat uns mit Karl-Wilhelm Jacobi am 2. November 2017 ein bedeutender Innovator der modernen Kataraktchirurgie verlassen. Diese Nachricht lässt ganz besondere Erinnerungen und eine ganz spezielle Dankbarkeit wach werden: Es war in Gießen, der Wirkungsstätte Jacobis, wo im Jahr 1987 die erste Tagung unserer Gesellschaft stattfand, besucht von einer überschaubaren Zahl von Spezialisten. Kaum glaublich schien es in jenen Tagen im Mittelhessischen, dass die neugegründete Gruppierung einst eine der führenden ophthalmochirurgischen Fachgesellschaften in der Mitte Europas werden würde.

Karl-Wilhelm Jacobi wurde 1972 C3-Professor und übernahm die Leitung der Abteilung für Klinische Augenheilkunde. 1976 wurde er auf den Lehrstuhl in Gießen berufen, den er bis 2001 innehatte. Unter Jacobis Leitung entwickelte sich die Gießener Universitätsaugenklinik zu einem führenden Zentrum der Mikrochirurgie des Auges in Deutschland und zu einem der ersten, an dem in großem Maße Intraokularlinse der neuen Generation, die mit den Namen Binkhorst und Worst verbunden sind, implantiert wurde. Keratoplastiken und Glaukomchirurgie waren weitere Schwerpunkte. Schon 1979 und damit rund sieben Jahre vor der Gründung der DGII lud Jacobi zu einem internationalen Symposium zur Intraokularlinsen-Implantation nach Gießen ein.

Karl-Wilhelm Jacobi war im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen und er war der erste deutsche Vertreter in der European Society of Cataract and Refractive Surgery (ESCRS). Der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft präsidierte er 1992/93 und hielt die Tagung in Mannheim ab. Sein publizistisches Wirken war reichhaltig, seine Schriften decken fast alle Bereiche der Ophthalmochirurgie ab, doch Schwerpunkte sind unübersehbar die Keratoplastik und die Kataraktchirurgie. Bezeichnend ist es, dass die letzte Eintragung unter seiner (Mit-)Autorschaft bei PubMed eine Arbeit zur Phakoemulsifikation ist.

Karl-Wilhelm Jacobi, der Ehrenmitglied der DGII war, repräsentierte den Typus eines Ordinarius der sogenannten alten Schule. Ihm galten Autorität (in einer Richtung) und Respekt (aus der entgegen kommenden Richtung) viel. Die Assistenten lernten viel bei ihm, hatten indes bei Fehlern keinen gnädigen Gott in Gießen (die Oberärzte manchmal auch nicht). Jacobi war – für heutige Klinikdirektoren eine wehmütige Reminiszenz – Ordinarius in einer Goldenen Zeit: die Personal- und Materialausstattung der Klinik, die ihm und seinem Team zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und auch der Nervus rerum für exzellente Arbeit sind heute der Stoff, aus dem Träume sind. Jacobi liebte Golf und die Jagd, die man auch als Leidenschaft bezeichnen konnte.

Das legendäre Foto, das die Gründer unserer Gesellschaft auf einer Treppe stehend zeigt, entstand an einem hoffnungsvollen Tag vor mehr als 30 Jahren. Würde es an diesem Ort zu einer „Reunion“ der damaligen Visionäre kommen, die Treppe wäre leider bis auf ein knappes halbes Dutzend betagter reifer Herren leer. Offenbar konnten sie erahnen, vor welch gewaltigem Aufschwung die Katarakt- und Refraktivchirurgie in den nächsten Dekaden stehen würde. Wir alle stehen auf den Schultern von Pionieren wie Jacobi und Draeger – und ein Abschied wie der neuerliche erinnert uns daran, dass unser Fach und unsere Mühen um die Patienten alle Epochen übergreift, wir selbst aber endlich sind.

Univ.-Prof. Dr. H. Burkhard Dick, Präsident
Univ.-Prof. Dr. Gerd U. Auffarth, Vizepräsident
im Namen der DGII