Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, hat anlässlich einer Anhörung zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vor einschneidenden Folgen für die ambulante Versorgung durch eine mögliche Sozialversicherungspflicht im ärztlichen Bereitschaftsdienst gewarnt. „Eine solche Pflicht birgt eine große Gefahr für die Versorgungsstrukturen und erweist dem ärztlichen Bereitschaftsdienst einen Bärendienst. Dann droht dieser zu kollabieren“, sagte der KBV-Chef. „Deshalb unterstützen wir die Bundesratsinitiative, auf eine Ausnahme zu pochen und dafür schnellstmöglich eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.“ Die Länderkammer habe damit ein Thema aufgegriffen, welches von der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) bereits seit längerem an die Politik adressiert werde.
Zum Hintergrund: Nach § 75 SGB V sind die KVen verpflichtet, die Versorgung auch zu sprechstundenfreien Zeiten sicherzustellen. Wesentlicher Bestandteil hierfür sind ein flächendeckendes Netz von Bereitschaftsdienstpraxen und mobile Dienste. Die KVen haben den Bereitschaftsdienst im Sinne einer stärkeren Patientenorientierung – insbesondere im Hinblick auf verlässliche Anlaufstellen, regionale Erreichbarkeit und Öffnungszeiten – ausgestaltet. Überwiegend ist der Bereitschaftsdienst mit Vertragsärzten besetzt, in Teilen wirken auch sogenannte Poolärztinnen und -ärzte mit. Als solche werden Ärztinnen und Ärzte bezeichnet, die in der Regel ein anderes Arbeitsverhältnis haben, z. B. Klinikärzte oder Ruheständler sind und dadurch die Zeiten des Notfalldienstes mit gewährleisten. Nach der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung müssen Poolärzte, die im Bereitschaftsdienst der KVen tätig sind, als abhängig beschäftigt eingestuft werden und damit der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Der Bundesrat hat sich im Mai jedoch für eine Ausnahme ausgesprochen. Die Bundesregierung hatte diese Forderung zuletzt abgelehnt.
„Im äußersten Fall droht der Kollaps des ärztlichen Bereitschaftsdienstes“, so A. Gassen. „Das hätte gravierende Folgen für die Patienten: längere Wartezeiten, Chaos für die Patientensteuerung und eine deutliche Mehrbelastung für die Notfallambulanzen und die Rettungsdienste.“ Er appellierte an den Gesetzgeber: „Damit steht zu befürchten, dass die flächendeckende und zentrale Struktur des Bereitschaftsdienstes im aktuellen Versorgungsumfang so nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Eine gesetzliche Änderung kann hier Abhilfe schaffen.“ Sinnvoll ist laut A. Gassen eine Regelung für Poolärztinnen und -ärzte, wie sie für Notärztinnen und Notärzte geschaffen worden ist (§ 23c II SGB IV).