Zulassung für erste Gentherapien am Auge erwartet

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft hat im Vorfeld der diesjährigen Jahrestagung in Berlin bekanntgegeben, dass die Zulassung für die erste Gentherapie am Auge erwartet wird.

Nach Angabe von Prof. Dr. med. Thomas Kohnen, Präsident der DOG, sind derzeit über 250 genetische Sehstörungen bekannt. So verursachen beispielsweise Mutationen im Gen RPE65 den Ausfall eines Enzyms, das zur Reaktivierung des Sehpigments nach Bleichung Bleichung benötigt wird. Die Folge ist eine allmähliche Zerstörung der Sinneszellen in der Netzhaut. Deutschlandweit sind etwa 150 bis 200 Patienten von dieser Netzhautdystrophie betroffen.

Gentherapie schleust intaktes RPE65-Gen in Zellen ein

Seit zehn Jahren wird an einer Gentherapie für diese Erkrankung geforscht und inzwischen an 137 Patienten getestet. Ihnen wurden intakte Versionen des RPE65-Gens in Virenhüllen verpackt und mittels Kanüle unter die Netzhaut injiziert. Sie gelangen ins Innere der Zelle und können dort das fehlende Enzym produzieren. Auch wenn diese Therapie bereits abgestorbene Sinneszellen nicht wiederbeleben kann, so verlangsamt sie das Fortschreiten der Erkrankung. Vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen konnte eine Verbesserung des Sehens erreicht werden und bei einigen Patienten konnte eine Vergrößerung des Gesichtsfelds erreicht werden. In den USA wurde bereits ein Zulassungsantrag gestellt, der Antrag für die Europäische Arzneimittelagentur ist derzeit in Vorbereitung.

Prof. Dr. med. Birgit Lorenz (Gießen) äußerte sich zu dieser Therapie sehr zuversichtlich. Sie betreut derzeit 25 Kinder und Jugendliche mit Netzhautdystrophie und hofft auf die baldige Zulassung dieser Gentherapie. „Die Behandlung hat sich in allen publizierten Studien als sicher erwiesen“, so die Expertin, operationsbedingte Komplikationen seien sehr selten aufgetreten. Eine einmalige Injektion reiche vermutlich aus, um die Proteinfunktion lebenslang wiederherzustellen.

Weitere Gentherapie bei Chorioideremie in der Erprobung

Auch bei der Chorioideremie, bei der die betroffenen Patienten an einer angeborenen Nachtblindheit und einer fortschreitenden Gesichtsfeldeinschränkung leiden, befindet sich aktuell eine gentherapeutische Methode in der Erprobungsphase. Die betroffenen männlichen Patienten zeigen eine Mutation im CHM-Gen auf dem X-Chromosom.
„Die Gentherapie zielt darauf ab, die Makula zu erhalten“, so. B. Lorenz. Bisher wurden 44 Patienten jeweils an einem Auge behandelt, darunter sechs in Tübingen. „Die ersten Langzeitergebnisse sind günstig“, fügt die Ophthalmologin hinzu. Nach dreieinhalb Jahren hat sich bei zwei von sechs in Oxford behandelten Patienten das Sehvermögen verbessert, während die Erkrankung im unbehandelten Auge weiter fortschritt.

Gentherapie zur Farbenblindheit

Eine aus Deutschland initiierte Gentherapie bei Farbenblindheit befindet sich ebenfalls derzeit in der Testphase. So werden seit dem Jahr 2015 in Tübingen, München und New York Patienten mit Achromatopsie behandelt, bei denen es aufgrund von Mutationen im Gen CNGA3 zum Ausfall der Zapfen kommt. „Da die Stäbchen für das Schwarzweißsehen im Hellen nicht funktionieren, sind die Patienten bei Tag quasi blind, wenn sie nicht die Augen zukneifen, um möglichst wenig Licht in die Augen fallen zu lassen“, so B. Lorenz. Die ersten Ergebnisse dieser Studie werden für das Frühjahr 2018 erwartet.

Aktuell wird in Gießen an einer neuen Methode der Gentherapie gearbeitet: „Statt mit Genfähren zusätzliche DNA in die Zellen zu schleusen, sollen moderne Genom-Editoren die mutierten Gene gleich vor Ort reparieren“, erklärt B. Lorenz. Die dahingehenden Experimente befinden sich jedoch noch im Anfangsstadium.